Das Molchen von Produktionsanlagen minimiert Produktverluste und reduziert den Reinigungsaufwand. Üblicherweise werden Kunststoff-Molche verwendet, diese stellen jedoch spezifische Anforderungen an die Anlagenkonstruktion und bergen das Risiko der Produktkontamination mit Fremdkörpern. Die Professur für Lebensmitteltechnik der TU Dresden sowie das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV entwickeln hierfür alternative Lösungsansätze am Beispiel der Schokoladenindustrie.
Die Reinigung lebensmitteltechnischer Anlagen stellt einen enormen Kostenfaktor dar, da die strengen Hygieneanforderungen mit einem hohen Zeit und Energieeinsatz verbunden sind. In der Schokoladenindustrie erweist sich die Reinigung von Rohrleitungen mit Wasser als nahezu unmöglich, da Schokoladenmasse in Verbindung mit Wasser verklumpt. In der Praxis wird daher häufig das Nachfolgeprodukt als Spülmasse eingesetzt. Diese verdrängt das Vorgängerprodukt, wobei jedoch eine große Menge an minderwertiger Mischphase entsteht. Alternativ ermöglicht das Molchen von Anlagen eine effektive Reinigung bzw. Trennung von Vor und Nachfolgeprodukt.
Die Reinigung mittels Festkörpermolchen ist jedoch limitiert durch die Konstruktion der Rohrleitungen, hinsichtlich der Gestaltung von Biegungen, Querschnittsänderungen und Einbauten. Hohe Investitionskosten in molchbare Rohrleitungen und die konstante Gefahr von Fremdkörpern durch Abrieb oder Defekte des Molches begrenzen den Einsatz von Kunststoffmolchen. Im wasserbasierten CIP-Reinigungsbereich wurde daher das Ice Pigging entwickelt, bei dem ein Eis-Wasser-Gemisch als flexible, konturadaptive Molchsuspension eingesetzt wird. Gegenüber dem herkömmlichen Spülen wird dadurch weniger Spülmasse benötigt und eine deutlich höhere Reinigungswirkung erzielt. Dieses Verfahren wird bereits zur Reinigung von Trinkwasserleitungen eingesetzt, wurde aber auch für verschiedene Lebensmittel, z. B. Ketchup, getestet. Da sich ein Schmelzen des Eises im Prozessverlauf nicht verhindern lässt, sind die reinigbaren Rohrlängen jedoch begrenzt.
An dieser Stelle setzt das IGF-Projekt 01IF22267N (FlexPig) des Fraunhofer-Institutes für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV sowie der Professur für Lebensmitteltechnik der TU Dresden an: Am Beispiel der Schokoladenindustrie wird die Anwendbarkeit wasserfreier Molche aus Zucker-Fett-Suspensionen erforscht, die sich zur Reinigung von komplexen Rohrleitungen mit fettbasierten Lebensmitteln eignen. Die Molchsuspension stellt dabei einen kostengünstigen Ersatz der Mischphase aus Vorgänger und Nachfolgeprodukt dar und wird am Ende der Rohrleitung ausgeschleust. Da sie nur aus produkteigenen Komponenten bestehen soll, gefährdet eine geringfügige Vermischung mit der Molchsuspension weder die Lebensmittelsicherheit noch die lebensmittelrechtliche Kennzeichnung des Nachfolgeproduktes.
Elementar für die Optimierung des Reinigungsverhaltens ist die Kenntnis der rheologischen Eigenschaften der Molchsuspensionen. Hochkonzentrierte Suspensionen zeigen ein scherverdickendes oder scherverblockendes Verhalten, das sogenannte Shear Jamming. Dieses Verhalten ist beispielsweise von Wasser mit einem hohen Anteil an Stärkekörnern bekannt und bildet auch die Basis für die Reinigung mittels Ice Pigging. Shear Jamming führt in einer Rohrleitung zur Ausbildung einer Pfropfenströmung, bei der sich die Suspension festkörperartig durch das Rohr bewegt und das Vorgängerprodukt herausschiebt. Die Neigung zum scherverdickenden Verhalten ist jedoch nicht nur vom Volumenbruch, sondern auch von der Partikelform und größe sowie von Grenzflächeneffekten zwischen Feststoffen und kontinuierlicher Phase der Suspension abhängig. Die Reinigungswirkung und der Zusammenhalt der Molchsuspensionen hängen darüber hinaus nicht nur von der Zusammensetzung der Molchsuspension selbst, sondern auch von den Eigenschaften von Vorgänger und Nachfolgeprodukt ab.
An der Professur für Lebensmitteltechnik der TU Dresden erfolgen daher rheologische Untersuchungen, bei denen insbesondere der Einfluss der Partikelgrößenverteilung der dispersen Zuckerpartikel und der Einfluss grenzflächenaktiver Substanzen auf die Fließeigenschaften hochkonzentrierter Zucker-Fett-Suspensionen erforscht werden. Diese Kenntnisse ermöglichen eine gezielte Beeinflussung von Viskosität, Fließgrenze, viskoelastischen Eigenschaften und Shear-Jamming-Verhalten der Molchsuspensionen.
Am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV erfolgen parallel dazu Reinigungsversuche im Technikumsmaßstab mit unterschiedlich zusammengesetzten Molchsuspensionen. Des Weiteren werden verschiedene Applikations- und Detektionsmethoden der Molchsuspensionen untersucht, um eine Einbringung der Molchsuspensionen in die Rohrleitung, die Charakterisierung des Reinigungserfolges sowie ein Ausschleusen der Molchsuspensionen aus den Rohrleitungen zu gewährleisten.
Die Kenntnisse zu Einflussmöglichkeiten auf die rheologischen Eigenschaften von hochkonzentrierten Suspensionen werden mit den Erkenntnissen zur Reinigungswirkung ausgewählter Molchzusammensetzungen kombiniert. Dies ermöglicht perspektivisch eine gezielte Beeinflussung der Molcheigenschaften und damit eine individuelle Anpassung an die rheologischen Eigenschaften von Vorgänger und Nachfolgermasse. Perspektivisch sollen die Erkenntnisse auch auf Molchsuspensionen mit anderen Fetten als kontinuierliche Phase oder anderen Feststoffphasen übertragen werden. Dies ermöglicht eine Übertragung der Technologie auf andere Produktkategorien, z. B. im Feinkost- oder Kosmetikbereich, wobei die Molche ebenso auf hydrophilen, produkteigenen Rohstoffen basieren.
https://www.ivlv.org/project/flexpig