sweets processing 9-10/2024

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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EUDR: Anforderungen und Hinweise zur praktischen Umsetzung von AFC

Die EUDR (Entwaldungsrichtlinie) stellt viele Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette vor enorme Herausforderungen. Trotz anhaltender Kritik hält die EU-Kommission an deren Inkrafttreten Ende dieses Jahres fest. Nachbesserung bedarf es bei der Konkretisierung der Anforderungen zur Risikovorsorge und bei Ansprüchen an die Datenqualität. Ungeachtet dessen sind betroffene Unternehmen angehalten, ihr Risikomanagement und Datenmanagement gemäß gesetzlichen Vorgaben anzupassen.

Von Dr. Michael Lendle, Theresa Usler und Philipp Scha


Kaum ein Thema wird derzeit in Wirtschaft und Politik so kontrovers diskutiert wie ESG-Compliance. Neben Krisen wie steigenden Rohwarenpreisen und mangelnder Rohwarenverfügbarkeit stellen regulatorische Vorschriften zur sozialökologischen Compliance Unternehmen auf allen Stufen der Lieferkette vor enorme Herausforderungen. Grundlage hierfür ist das Flaggschiff der EU-Kommission, der European Green Deal, als umfassendes Konzept von Richtlinien und Verordnungen, zu denen u. a. die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) und die Ökodesign-Verordnung (ESPR) gehören. Das Ziel, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden, erfordert ein besonderes Augenmerk auf Klimaschutzmaßnahmen und die Reduktion von CO2-Emissionen. Rund 90 % der weltweiten Entwaldung sind auf die Landwirtschaft zurückzuführen. So wurden zwischen 1990 und 2020 weltweit mehr als 400 Millionen Hektar Wald gerodet und die EU ist für rund zehn Prozent der weltweiten Entwaldung verantwortlich.

Um der Entwaldung und dem Verlust der Biodiversität entgegenzuwirken, hat die EU bereits im Mai 2023 in vergleichsweise geräuschlosen Verhandlungen die Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) erlassen. Ab dem 30. Dezember 2024 gilt die EUDR für mittlere und große Unternehmen, die die relevanten Rohstoffe Kakao, Kaffee, Ölpalme, Rinder, Soja, Kautschuk und Holz sowie bestimmte daraus hergestellte Erzeugnisse in den Unionsmarkt importieren, damit handeln oder exportieren. Für kleine und Kleinstunternehmen (≤ 50 Beschäftigte) gelten die Vorschriften ab dem 30. Juni 2025. Dies umfasst die Erfassung von Informationen, Daten und Unterlagen, die Durchführung einer Risikobewertung und das Ergreifen von Maßnahmen zur Risikominderung. Wurden die Sorgfaltspflichten erfüllt, muss für jede Charge eine Sorgfaltserklärung abgegeben und in das zentrale Informationssystem der EU hochgeladen werden. Daraus wird eine Referenznummer generiert, die die Unternehmen entlang der Lieferkette weitergeben müssen. Werden diese Vorgaben nicht eingehalten und kommt es zu Verstößen, drohen empfindliche Strafen wie Gewinnabschöpfung oder die Rücknahme nicht konformer Ware vom Markt. Darüber hinaus wird die EU-Kommission Unternehmen mit ihren konkreten Verstößen namentlich auf ihrer Website veröffentlichen, was zu Reputationsschäden führen kann. Angesichts der tendenziell risikobehafteten und relevanten Rohstoffe und Erzeugnisse aus Kakao und Ölpalmen, die aus Ländern des globalen Südens bezogen werden und zentraler Bestandteil vieler Rezepturen sind, ist diese Branche von der EUDR besonders betroffen. Es stellt sich die Frage, wie diese umfassenden Sorgfaltspflichten in der Praxis umgesetzt werden können.

In einem ersten Schritt sollten Unternehmen ihre spezifische Betroffenheit feststellen, die sich aus den Produkten, der eigenen Marktposition sowie den potenziellen Risiken und Issues auf den vorgelagerten Stufen ergibt. Die EUDR definiert Marktteilnehmer und Händler, die unterschiedliche Sorgfaltspflichten zu erfüllen haben. Liegt für einen eingekauften Rohstoff noch keine Sorgfaltserklärung mit Referenznummer vor, müssen die relevanten Informationen vom Lieferanten eingeholt werden. Eine besondere Rolle spielt dabei die Bereitstellung von Geolokalisierungsdaten. Im Falle eines kakaoverarbeitenden Unternehmens (= Marktteilnehmer) müssen gemäß EUDR für jede Charge importierten Kakaos die Geolokationsdaten mit 6-stelligen Längen- und Breitenkoordinaten aller Grundstücke, auf denen die Kakaobohnen angebaut wurden, angegeben werden. Wird anhand dieser Daten eine Entwaldung nach dem Stichtag 31. Dezember 2020 festgestellt, gilt der Rohstoff nicht als entwaldungsfrei und damit für den europäischen Markt nicht verkehrsfähig. Hier besteht die Herausforderung darin, einerseits die genaue Herkunft des Kakaos zu ermitteln und andererseits die Kakaobauern in die Lage zu versetzen, die Geolokalisierung in ausreichender Datenqualität anzugeben. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit über die vorgelagerten Stufen der Lieferkette hinweg. Die zu erfassenden Informationen müssen neben Daten wie Handelsname und Menge auch schlüssig und überprüfbar die Entwaldungsfreiheit und die Einhaltung der länderspezifischen Gesetze beinhalten. Diese bilden die Grundlage für die geforderte Risikobewertung. Dazu gibt die EU eine Reihe von Bewertungskriterien vor, anhand derer das Risikoniveau eingeschätzt werden soll. Nur Rohstoffe und Erzeugnisse, deren Risikoniveau als vernachlässigbar eingestuft wird, dürfen in Verkehr gebracht werden. Neben entwaldungsspezifischen Kriterien wie dem Vorhandensein von Primärwäldern oder Berichten über illegalen Holzeinschlag müssen unter anderem auch soziale Risiken wie Menschenrechtsverletzungen und die Rechte indigener Völker in die Risikobewertung einbezogen werden. Wird ein nicht zu vernachlässigendes Risiko festgestellt, sind geeignete Maßnahmen zur Risikominderung zu ergreifen. Hierfür benötigen Unternehmen wirksame Strategien, Kontrollen und Verfahren, die durch eine interne Verantwortlichkeit, z. B. den Chief Compliance Manager überwacht und gesteuert werden. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit eines umfassenden Monitoring- und Reportingsystems, um den Dokumentations- und Berichtspflichten nachkommen zu können. Inwieweit die Verordnung am 30. Dezember 2024 in Kraft tritt, bleibt vor dem Hintergrund der offenen Fragen zum Datenmanagement und dem damit verbundenen bürokratischen Aufwand abzuwarten. Dennoch sind Unternehmen gut beraten, sich frühzeitig auf die Anforderungen vorzubereiten.

 

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