sweets processing 9-10/2024

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

ZDS

 
 
 
 
 

Bi-Ber: Kontrolle als Steckenpferd

Das Unternehmen, das heute als GmbH & Co. Engineering KG unterwegs ist, wurde 1997 von Ronald Krzywinski und anderen in Berlin gegründet. Es hat sich ein Teilgebiet der Qualitätssicherung innerhalb der Süßwarenproduktion herausgepickt: Der Einsatz der Bilderkennung zur Fehleridentifizierung. Mit seinen sechs Mitarbeitenden agiert es seit März 2023 vom brandenburgischen Wildau aus.

Von Dr Jörg Häseler


Das Unternehmen versteht sich als Systemhaus für industrielle Bildverarbeitung und hat seinen Schwerpunkt in der Süßwarenbranche gefunden. Seine Wurzeln hat es im studierten Gerätetechnikabsolventen der Technischen Universität Chemnitz, wobei Krzywinski das Studium zu den Zeiten angefangen hat, als Chemnitz noch Karl-Marx-Stadt hieß. Der Firmensitz stand Pate für den Namen des Unternehmens, denn Bi-Ber bedeutete nichts anderes als „Bildererkennung Berlin“. „Die Marke war gesetzt und der Name hat sich derweil etabliert, denn neben Produzenten gehören auch Maschinenbauer zu unseren Abnehmern der ausgeklügelten Kamerasysteme“, berichtet Krzywinski. „Auf diesem Wege sind weltweit mehr 100 Systeme allein für die Formenleerkontrolle im Einsatz.“

Der Schritt zur Süßwarenbranche war eher zufällig, denn zuvor engagierte man sich im Bereich der Prüfung von leadbasierten Bauelementen, bei denen es darum ging, zu prüfen, ob die gefertigten Elektronikteile planar gefertigt wurden. Der Kontakt zu den Süßwaren geschah dann über einen ersten Kundenkontakt bei einem Schokoladen- und Karamellproduzenten in Berlin, der auch heute noch zahlreiche Geräte von Bi-Ber nutzt.

„Externe Kapazität werden für die Softwareentwicklung kundenspezifischer Bildverarbeitungssysteme, die Konstruktion und die Elektromontage genutzt. So kann die Mitarbeitendenzahl gerade in der kreativen Phase mit Entwicklung, Konstruktion, Softwareentwicklung, Montage, Justage, Inbetriebnahme und Service bis auf zehn steigen“, erläutert der Geschäftsführer.

Bei den zu bearbeitenden Fragestellungen steht u. a. die Formenleerkontrolle, die 3-D-Prüfung von Riegelprodukten, die Kontrolle von Waffelblättern und als neuer Lösungsansatz die Qualitätskontrolle mit Deep Learning im Fokus. Gerade die neue Technik, die KI-basiert arbeitet, bietet enorme Vorteile. In kurzer Zeit ist ein derartiges System in der Lage, Fehler zu erkennen. Im Regelfall dauert die Anlernphase eines Deep-Learning-Systems nicht länger als zwei Tage, wobei das Know-how des Herstellers über mögliche Fehler vorab zusammengetragen werden muss.

Für die Herstellung von Süßwaren werden die unterschiedlichsten Formen verwendet. In diese Formen wird die flüssige Masse gegossen. Vor dem erneuten Füllen der leeren Formen muss sichergestellt werden, dass die Formen frei von Produktresten, -bruchstücken oder -spritzern sind. Bi-Ber-Systeme kontrollieren die Formen mittels Farbbildverarbeitung auf genannte Verunreinigungen, eine mechanische Prüfung mittels formspezifischer Stempel entfällt.

Mit GigE- oder USB3-Kameras mit Farbsensor und Megapixelauflösung erkennen die Vision-Systeme Restverschmutzungen bis zu einer Größe von 1 mm² in den Alvoelen der leeren Form. Die Kameras sind an einen Panel-PC mit Windows-Betriebssystem angeschlossen. Die Kameras erkennen Produktreste anhand der Farbe oder der unterschiedlichen Helligkeit im Vergleich zur sauberen Form. Eine inverse Auswertung zur Prüfung auf vollständige Füllung der Alveolen ist alternativ ebenfalls möglich.

Zur Kommunikation stehen wahlweise eine Digital- oder Ethernet-Schnittstelle sowie Profinet für die Anbindung an die übergeordnete Prozesssteuerung zur Verfügung.

Diese Technologie ermöglicht es, auch solche Aufgaben zu automatisieren, die für die klassische Bildverarbeitung zu komplex sind. Bi-Ber hat für zahlreiche Kunden eine solche Lösung umgesetzt. Die zu prüfenden Produkte haben verschiedene Größen und Formen und sind mit unterschiedlichen Schokoladen überzogen. Die Prüfung der Produkte erfolgt innerhalb der Form.

Das Inspektionssystem muss für jede Kavität ein IO- bzw. NIO-Signal an die Produktionsanlage schicken. Die Formen enthalten je nach Produkt bis zu 108 Alveolen, die das Prüfsystem segmentieren und auswerten muss. Die Prüfung stellt sicher, dass sich keine Plastik- oder Metallstücke auf den Produkten befinden. Ebenso auszuschließen sind unvollständig aufgetragene Überzüge oder herausquellende Füllungen sowie Bruch. Weniger kritische optische Makel wie ungleichmäßige Beschichtungen sollen ebenfalls erkannt werden.

Das Ziel der Einführung einer KI-basierten automatischen Qualitätsprüfung ist die Ablösung der Sichtkontrolle und damit die Erhöhung der Erkennungszuverlässigkeit. Die Endkontrolle in der Schokoladenproduktion ist für ein Bildverarbeitungssystem aus dem Grund besonders herausfordernd, weil die Produkte generell kein einheitliches Erscheinungsbild haben. Auch Fehler variieren immer wieder leicht. Herkömmliche Bildverarbeitung funktioniert nach festen Regeln, die sich für diese Anwendung kaum oder nur mit erheblichem Aufwand programmieren lassen. Dagegen werden beim Deep Learning künstliche neuronale Netze mit Beispielbildern gefüttert und bilden daraus selbst die Kriterien, anhand derer sie Bilder kategorisieren. Dabei kann es eine große Varianz geben, welche Produkte als gut bewertet werden – viele optische Abweichungen sind zulässig.

Die Deep-Learning-Anwendung wurde mithilfe von Cognex VisionProViDi entwickelt. Diese Software-Suite enthält diverse spezialisierte Tools, darunter ViDi RED Analyze zur Segmentierung und Fehlererkennung. Zum Trainieren der KI werden gute und schlechte Bilder verwendet, zusätzlich können im Supervised-Modus auch NIO-Bereiche in den Bildern markiert werden, um sie von Anfang an auf die gesuchten Fehler zu fokussieren. ViDi benötigt keine riesigen Bilddatensätze und spart dadurch beim Einlernen viel Zeit. Die KI bewertet jedes Produkt individuell und vergibt Qualitätskennzahlen. Der Benutzer kann anhand dieser Werte die Toleranzgrenze im Betrieb einstellen und so selbst entscheiden, wie homogen die Produkte sein müssen.

 

http://www.bilderkennung.de


Zurück