Nachhaltigkeit nach der „Zeitenwende“: Rund 230 Teilnehmer aus Industrie und Politik diskutierten kürzlich auf Einladung des Deutschen Verpackungsinstituts e. V. (dvi) auf dem 18. Deutschen Verpackungskongress in Berlin Strategien und Wege.
Kernthemen des „Gipfeltreffens der Verpackungsbranche“ waren der Status der Verpackungswirtschaft nach der „Zeitenwende“, Nachhaltigkeitsstrategien sowie die aktuellen Pläne der Regulierer aus Brüssel und Berlin. Außerdem zeichnete das Netzwerk der Verpackungswirtschaft das Lebenswerk von Alfred T. Ritter mit dem Dieter-Berndt-Preis aus. Zum Start des Kongresses veröffentlichte das dvi Ergebnisse einer Bevölkerungsumfrage zu zentralen Themen rund um die Verpackung.
Nach zwei Jahren im digitalen Raum fand der Kongress wieder als Präsenzveranstaltung statt. In den Vorträgen und Diskussionen mit den politischen Vertretern ging es um das Thema Kreislaufwirtschaft und die Pläne der neuen EU-Verpackungsverordnung.
In seinem Leitvortrag unterstrich Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und Mittelstandsbeauftragter der Bundesregierung, den Wert und die Bedeutung von Verpackungen. Er bescheinigte den Unternehmen der Branche viel Erfahrung und Kompetenz in Sachen Kreislaufwirtschaft sowie hervorragende Leistungen in der Forschung und bei Pilotprojekten. Was weniger gut gelinge, sei allerdings die Skalierbarkeit und Durchsetzung in der Fläche. Als einen der zentralen Aspekte bei der Kreislaufwirtschaft der Verpackung nannte der Staatssekretär die Erhöhung des Recycling-Anteils bei Kunststoffverpackungen und ein höheres Rezyklat-Angebot. Dies sei auch wirtschaftlich geraten und könne zu einem Wettbewerbsvorteil werden. Kreislaufwirtschaft sei ein „wahnsinniger Booster für die Branche“.
Im anschließenden Gespräch mahnte dvi-Geschäftsführerin Kim Cheng, dass der Verpackung auch öffentlich der Wert zugemessen werde, den sie habe. Sie verwies auf die Ergebnisse einer zum Start des Kongresses vorgestellten repräsentativen Bevölkerungsumfrage. Dabei hatte eine Mehrheit von 50,5 % angegeben, dass die Verpackung ihrer Einschätzung nach einen größeren Umweltfußabdruck habe als das verpackte Produkt. 28,8 % sahen das Produkt mit dem größeren Umweltfußabdruck, 20,7 % konnten keine Einschätzung treffen.
„Richtig ist, dass die Verpackung beispielsweise bei Lebensmitteln im Durchschnitt nur für rund 3 Prozent der Klimaauswirkungen steht – rund 97 Prozent gehen auf das Konto des Produkts“, betonte Kim Cheng. „Wir müssen als Branche dafür sorgen, dass mehr Menschen erfahren, mit welch kleinem Aufwand die Verpackung große Werte schützt. Solange die Menschen diesen auch ökologischen Wert der Verpackung nicht erkennen, werden sie entsprechend achtlos damit umgehen.“
Politische Beteiligung gab es auch in der Diskussionsrunde rund um das Thema Recycling und die im vergangenen Jahr ausgestrahlte TV-Dokumentation „Die Recyclinglüge“. Deren Autor Benedict Wermter bekräftigt seine Darstellung von Kunststoff als ein Sucht-System. Ölindustrie und Chemiefirmen seien abhängig vom globalen Wachstumsmarkt für Einwegverpackungen – genau wie die Handelsmarken, die sich dem fraglichen Marketinginstrument des Recyclings verschrieben hätten. Von diesem profitierten nicht zuletzt die Entsorger und Verwerter. Recycling sei jedoch nur Schadensminimierung. Daher sollten Vermeidung, Mehrweg und Wiederbefüllung im Fokus stehen.
Dr. Jan-Niclas Gesenhues, MdB und Leiter der AG Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz von Bündnis 90/Die Grünen, zeigte grundsätzliche Sympathien für Wermters Argumente. Er wies allerdings auch auf die Bedeutung des Recyclings hin, das als „Freiheitstechnologie“ helfe, unabhängiger von Rohstoffimporten, vor allem von Despoten, zu werden. Auf nationaler Ebene werde dafür ein Fonds aufgelegt, der recyclinggerechtes Design fördere.
Vertreter von Marken und Entsorgern hoben die Erfolge und die erreichten Quoten beim Kunststoff-Recycling hervor und wiesen darauf hin, dass heute immer noch 50 % des Kunststoffs im Restmüll entsorgt werde. Man dürfe die Menschen nicht verwirren und vom Recycling abhalten. Wichtig speziell beim Kunststoff-Recycling sei, dass auch neue Verfahren anerkannt und zugelassen würden, um das Angebot an Rezyklat zu steigern.
Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind auch wesentliche Anliegen des Unternehmers Alfred T. Ritter, Eigentümer der Schokoladenproduktionsfirma Alfred Ritter GmbH & Co. KG, dem der Dieter-Berndt-Preis verliehen wurde. Prof. Dieter Berndt war der Gründer des Deutschen Verpackungsinstituts, und seit 2015 vergibt das dvi einen Preis mit seinem Namen für Lebenswerke. Alfred T.Ritter hat über seine Unternehmensgruppe bereits früh in Photovoltaik investiert sowie ein Elektrofahrzeug entwickelt und ist noch heute im Bereich Vakuumröhrenkollektoren und ökologische Heizsysteme aktiv.
In seiner Laudatio beschrieb Oliver Berndt, Sohn von Prof. Berndt und Bereichsleiter Events & Marketing des dvi, die herausragenden Verdienste des Geehrten für Menschen, Märkte und Umwelt: „Mit seinem visionären Engagement im Bereich Nachhaltigkeit und Umweltschutz hat Alfred T. Ritter Zeichen gesetzt und Wege bereitet.“
In seiner Dankesrede hob Alfred T. Ritter hervor, dass er nicht von Nachhaltigkeit spreche, sondern von Zukunftsfähigkeit. Er berichtete, dass sein Unternehmen bereits 1991 eine Monomaterial-Verpackung aus Polypropylen eingeführt und sich 1996 als erstes Unternehmen an der Öko-Audit-Verordnung beteiligt habe. Bis 2025 sollen alle Verpackungen der Marke Ritter Sport auf Materialien aus nachwachsenden Quellen umgestellt werden. Das ehrgeizige Ziel, für die quadratischen Tafeln von Kunststoff- auf Papierverpackung umzustellen, habe man leider zurückstellen müssen, da sich insbesondere die Leistungen beim Schutz gegen Feuchte und mechanische Belastungen als nicht ausreichend erwiesen hätten.
Alfred T. Ritter berichtete auch über die Arbeit mit den Kakaobohnen-Anbauern in Nicaragua, die sich CO2- und Bio-Zertifizierungen nicht leisten könnten, weil dies für sie viel zu teuer sei: „Daher muss man sich als Unternehmen selbst vor Ort um diese Dinge kümmern.“ Der Laureat unterstrich außerdem, dass die Industriegesellschaften noch immer zu viele Ressourcen verbrauchten. Hier gelte es, deutliche Fortschritte zu machen.