Künstliche Intelligenz (KI) erlaubt die Automatisierung von Prüfaufgaben in der Süßwaren- industrie, die sich bisher nicht technisch lösen ließen. Der Berliner Bildverarbeitungsspezialist Bi-Ber hat beim Süßwarenhersteller Loacker ein optisches Inspektionssystem in Betrieb gesetzt, das die Mitarbeiter entlastet und im Vergleich zur Sichtprüfung eine zuverlässigere und vor allem 100-prozentige Qualitätssicherung ermöglicht.
Die A. Loacker Spa/AG aus Südtirol steht seit 1925 für leicht knusprige Waffeln und leckere Schokoladenspezialitäten und legt Wert darauf, beste natürliche Zutaten aus bekannter Quelle zu verwenden. Das Familienunternehmen, in Italien einer der Marktführer, exportiert weltweit und betreibt inzwischen zwei moderne Werke in Italien und Österreich.
Project Manager Engineering Markus Schönafinger betont: „Nachhaltige Rohstoffwirtschaft, kontrollierte Prozesse und geprüfte Qualität zählen von jeher zu unseren Grundsätzen. Dabei sind wir bestrebt, technologisch stets auf dem neuesten Stand zu sein.“ Für die Qualitätssicherung bedeutet dies eine kontinuierliche Erhöhung des Automatisierungsgrads. Wo möglich, ersetzt das Unternehmen Sichtprüfung durch Inspektionssysteme, um Mitarbeiter zu entlasten. Als neuester Schritt wird nun auch Künstliche Intelligenz (KI) eingesetzt. Das entsprechende Prüfsystem wurde vom Berliner Bildverarbeitungsunternehmen Bi-Ber GmbH & Co. Engineering KG entwickelt und vor Ort eingerichtet.
Das Vision-System überprüft Waffeln mit Schokoladenüberzug, die noch in der Form liegen, auf Fremdkörper und Qualitätsmängel. Löcher, Bruch, abgestreifte Schokoladenüberzüge und herausquellende Füllungen sind als Ausschuss zu kennzeichnen. Kleinere Schönheitsfehler wie ungleichmäßige Beschichtungen, Luftblasen oder Kratzer sollen idealerweise ebenfalls erkannt werden; hier gibt es jedoch größere Toleranzen. Die KI bewertet individuelle Schokoprodukte und vergibt Qualitätskennzahlen. „Anhand dieser Werte und auf Basis der Qualitätsvorgaben kann der Anlagenbediener das Inspektionssystem im Betrieb nachjustieren“, merkt Markus Schönafinger an. „Dieses übergibt für jede einzelne Position ein Gut- oder Schlecht-Signal mit Handshake an die Produktionsanlage, damit Ausschuss direkt nach dem Stürzen entnommen wird.“
Die Waffeln in verschiedenen Formen und Größen sind mit Schokolade überzogen, die unterschiedliche Kakaoanteile aufweist. Darüber hinaus kann es in jeder Produktgruppe eine große Varianz geben – viele optische Abweichungen sind zulässig und gelten nicht als Fehler.
Die Programmierung einer herkömmlichen, regelbasierten Machine-Vision-Software wäre zu aufwendig, weil sowohl die guten Produkte als auch die Fehler jeweils variieren können. Künstliche neuronale Netze lernen selbst gute und schlechte Produkte anhand von Beispielbildern zu erkennen und bieten sich daher für diese Aufgabe an.
Bi-Ber hat in diesem Pilotprojekt eine KI zunächst für eine Produktauswahl angelernt. Aktuell ist diese bereits in der Qualitätssicherung für ein Produkt in Betrieb und läuft bei zwei weiteren Produkten noch parallel zur Sichtprüfung. In der Validierungsphase überprüfen Mitarbeiter alle als zweifelhaft bewerteten Produkte, und das System wird justiert. Künftig sollen über zwanzig Produktlinien von einer KI geprüft werden.
Mittlerweile sind verschiedene KI-Softwaremodule erhältlich, die „nur“ noch für ihre bestimmte Aufgabe trainiert werden müssen. Bi-Ber, ein „Partner-System-Integrator“ des Bildverarbeitungsspezialisten Cognex, hat seine erste KI-Anwendung mithilfe der Software-Suite Cognex VisionPro Deep Learning entwickelt. Diese enthält unter anderem Module zur Segmentierung, Fehlererkennung und Klassifizierung und kann grundsätzlich auch nur mit guten Beispielbildern trainiert werden. Bi-Ber hat hingegen auf ein begleitetes Training gesetzt, um den Prozess zu beschleunigen und die Präzision zu erhöhen. So wurden Tests unter anderem mit absichtlich platzierten Fremdkörpern durchgeführt, die Bildpixel manuell markiert und Fehlerbilder bestimmten Kategorien zugeordnet.
„Das Prüfsystem muss bis zu 54 Einzelbilder je Sekunde segmentieren und auswerten“, berichtet Christopher Keiner, Softwareentwickler bei Bi-Ber. „Die Basisfunktionalitäten lassen sich mit Deep Learning in überschaubarer Zeit einrichten. Herausfordernd wird es, sobald es daran geht, die KI auf die spezifische Anwendung abzustimmen. Wir haben die meiste Zeit darauf verwandt, die Ergebnisse zu validieren, die Auswertung zu optimieren und die Geschwindigkeit dem Anlagentakt anzupassen. Diese Erfahrungen wirken sich jetzt aber schon positiv aus. Das Einrichten der weiteren Produkte erfolgte produktionsbegleitend in vier bis fünf Etappen, in Summe rund zwölf Stunden pro Produkt. Das ist deutlich schneller und effizienter als das Programmieren einer regelbasierten Machine-Vision-Anwendung.“
Bi-Ber konstruierte ein maßgeschneidertes System mit einem 17“-Panel-PC in einem klimatisierten Edelstahlschaltkasten. Ein kompaktes, leichtes Edelstahl-Kameragehäuse mit Sichtscheibe wird direkt über dem Transfersystem montiert. Zwei seitlich montierte Balkenbeleuchtungen mit effizienten, langlebigen LEDs machen strukturierte Oberflächen und Fremdkörper gut sichtbar. Zwei Gbit-Ethernet-Kameras mit 5-MP-Auflösung nehmen die Schokoladenformen, die im 2-s-Takt weiterbewegt werden, jeweils hälftig auf. Die Software setzt die Einzelbilder zusammen und erreicht nahezu verzeichnungsfreie Aufnahmen der ganzen Produktionsformen. Der Einsatz zweier Kameras ermöglicht einen stark verringerten Arbeitsabstand und somit einen insgesamt kompakteren Aufbau. Das Vision-System hat keine bewegten Teile und ist wartungsarm.
Christopher Keiner ordnet das Projekt ein: „Dies ist eine Anwendung, die ohne Künstliche Intelligenz kaum zu lösen ist. Zugegeben, der Aufwand war hoch, aber die Lernkurve aller Beteiligten war ziemlich steil, und für ähnlich anspruchsvolle Prüfaufgaben würden wir auch in Zukunft wieder eine Umsetzung mit KI empfehlen.“ Markus Schönafinger resümiert: „KI für die Qualitätskontrolle ist für uns eine neue Technologie. Wir sind mit der Investition bewusst ein Risiko eingegangen. Bi-Ber hat sich als starker Partner erwiesen, der sich von unseren hohen Qualitätsansprüchen und der großen Produktvielfalt nicht überwältigen ließ, sondern eine stabile, erweiterungsfähige Lösung gebaut hat.“
Bi-Ber ist auf der Messe ProSweets Cologne (23. bis 25. April 2023, Passage Halle 4/Halle 5, Stand C027) vertreten.