sweets processing 1-2/2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Basis für transparente und effiziente Süßwarenproduktion

Im Projekt „WS Sweets – Weihenstephaner Standards in der Süßwarenproduktion“ wird am Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie der Technischen Universität München ­gemeinsam mit Industriepartnern eine standardisierte Kommunikationsschnittstelle für die Süßwarenproduktion entwickelt, die die kosteneffiziente und herstellerübergreifende Vernetzung von Maschinen und IT-Systemen ermöglicht.

Von Romy Ries, Technische Universität München-Weih


Lebensmittel- und Getränkehersteller sind heute in besonderer Weise gefordert, qualitativ hochwertige Produkte zu marktgerechten Preisen anzubieten. Dabei bewegen sie sich im Spannungsfeld zwischen eigener Wirtschaftlichkeit, Kundenzufriedenheit und hoher Verantwortung gegenüber Verbraucher und Gesetzgeber. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden und dennoch wettbewerbsfähig zu bleiben, sind sie auf die effiziente informationstechnische Unterstützung durch verschiedene IT-Systeme, wie etwa Manufacturing Execution Systemen (MES), angewiesen.

MES erfüllen in der klassischen Automatisierungspyramide die Aufgabe, die im Enterprise-Ressource-Planning (ERP) grob geplanten Produktionsaufträge zu verfeinern, den Produktionslinien zuzuordnen und die Auftragsproduktion zu überwachen. Ein MES liefert prozessübergreifende Qualitäts­daten, Berichte und Effizienzkennzahlen und stellt die lückenlose innerbetriebliche Chargenverfolgung si­cher. Dem Produktionsverantwortlichen dient das MES somit als abteilungsübergreifende Basis für die Optimierung von Betriebsabläufen.

Möchte ein Süßwarenhersteller seine Produktion übergreifend überwachen, müssen die Produktions­einrichtungen die hierfür relevanten Daten bereitstellen. Alle Maschinen und beteiligten IT-­Systeme müssen die gleiche „Sprache“ sprechen. Während die ERP-Anbindung heute über Standardmechanismen erfolgt, ist die Vernetzung in der Süßwarenproduktion eine komplexe Aufgabe. Hinderlich ist beispielsweise, dass Automatisierungsanbieter verschiedene Kommunikationsmechanismen verwenden und der Maschinenbau MES-relevante Daten unterschiedlich oder teils gar nicht zur Verfügung stellt. Entsprechend hoch sind der individuelle Engineering- und Zeitaufwand sowie die damit verbundenen Kosten für die Anbindung unterschiedlicher Systeme. In dieser Hinsicht hilft der Weihen­stephaner Standard (WS) mit

• einfach zu implementierenden Kommunikationsstandards,
• eindeutig definierten praxisrelevanten Datenpunkten,
• domänenspezifischen Maschinenprofilen sowie
• domänenspezifischen Auswerteempfehlungen.

In den WS sind mehr als 440 WS-Datenpunkte (unter anderem Maschinenstatus und Mess­werte ) einheitlich und eindeutig definiert. In Maschinenprofilen ist festgelegt, welche Datenpunkte von einer Maschinenklasse, etwa einem Kühltunnel, verpflichtet bereitgestellt werden müssen respektive optional angeboten werden können.

Zur Übertragung der WS-Datenpunkte stehen in den Weihenste­phaner Standards die beiden Kommunikationsstandards WS OPC UA und WS Protocol zur Verfügung. Hier ist festgelegt, in welcher Form die Daten strukturiert sind und übertragen werden. Die WS schaffen somit ein einheitliches Verständnis zwischen allen Projektbeteiligten, wodurch sich der Abstimmungsbedarf in der Projektierungs- und Implementierungsphase erheblich reduziert.

In den WS wird darüber hinaus auch die Verarbeitung der Maschinen- und Prozessdaten in den erforderlichen MES-Funktionen erklärt. In domänenspezifischen Auswerteempfehlungen wird anhand von Beispielen gezeigt, wie mit WS-Datenpunkten Kennzahlen berechnet, Chargen verfolgt oder anschauliche Produktionsberichte erstellt werden können. Die WS-Datenpunkte ermöglichen zudem umfangreiche Visualisierungsfunktionen zur kontinuierlichen Produktionsüberwachung.

Die Weihenstephaner Standards stellen für verschiedene Domänen maßgeschneiderte Auswertempfehlungen, WS-Datenpunktdefinitionen und Maschinenprofile zur Verfügung. Der Vorläufer der Weihenstephaner Standards wurde bereits im Jahr 2000 für die Getränkeabfüllung entwickelt und hat sich insbesondere in dieser Domäne mit dem 2005 nachfolgend veröffentlichten Standard für Getränkeabfüll- und Verpackungsanlagen WS Pack international durchgesetzt.

Auf Initiative von Industriepartnern folgten Projekte, in denen die WS für weitere Bereiche entwickelt wurden. 2010 wurde WS Food für die Fleischindustrie veröffentlicht. Es folgten WS Bake für die Backwarenindustrie (2016) sowie WS Brew für Brauereien und Getränkehersteller (2019). Im Juni 2021 begann mit dem Projekt WS Sweets die Arbeit an einem branchenspezifischen Standard für die Süßwarenproduktion.

Im aktuellen Projekt WS Sweets wird gemeinsam mit Süßwarenherstellern, Maschinenbauern sowieIT-Systemanbietern ein auf den Weihenstephaner Standards basierender Schnittstellenstandard für die Süßwarenindustrie entwickelt. Anhand von Referenzprozessen zur Produktion von Schokolade, Fruchtgummi und Riegelprodukten werden gemeinsam die relevanten MES-Funktionalitäten und hierfür erforderliche Dateninhalte identifiziert und entsprechende WS-Datenpunkte sowie WS-Maschinenklassen und -profile definiert.

Ausgangspunkt für die Arbeit an dieser neuen WS-Domäne ist der ChoConnect Showcase. Anhand dieser simulierten Schoko­ladentafel-Produktionslinie wurde die einfache und standardisierte Maschinenvernetzung unterschiedlicher Hersteller auf Basis von WS OPC UA erstmalig demonstriert. Die neue Version der Weihenstephaner Standards inklusive WS Sweets ist voraussichtlich im Frühjahr 2023 verfügbar. Interessierte Unternehmen sind herzlich zur Mitarbeit am neuen Standard eingeladen.

Als Fazit lässt sich abschließend ­sagen: Die Weihenstephaner Standards ermöglichen allen Maschinenlieferanten und IT-Systemanbietern eine einheitliche Vorbereitung ihrer Systeme. Fordert der Süßwaren­produzent bei der Projektierung neuer Produktionsanlagen zukünftig die Einhaltung des WS Sweets, wird die Verfügbarkeit der relevanten ­Daten sichergestellt, der individuelle Aufwand der Schnittstellenprogrammierung reduziert und ein erheblicher Anteil der Systemimplementierungskosten eingespart.

 

http://www.weihenstephan-standards.com


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