Prof. Andrea Büttner is Executive Director of the Fraunhofer Institute for Process Engineering and Packaging IVV in Freising/Germany. Before taking on this position in April 2020, the internationally renowned scientist established and headed the Department of Sensory Analytics at the institute and created its Business Field of Product Performance. In the first part of our interview, she offers insights into the focus of her work and shares information about her plans and projects.
sweets processing: Frau Professor Büttner, wo sehen Sie die Schwerpunkte Ihrer Arbeit am Fraunhofer IVV und weshalb?
Prof. Dr. Andrea Büttner: Angesichts der aktuellen globalen Herausforderungen sehen wir uns der Sicherung der Ernährung für die wachsende Weltbevölkerung und natürlich dem Schutz von Umwelt und Ressourcen verpflichtet. Daher liegen unsere Schwerpunkte in der Erschließung neuer, alternativer Rohstoffe, wobei wir aber stets im Blick behalten, dass bestehende Ökosysteme nicht noch mehr gefährdet werden und regionale Kulturpflanzen besser und zugleich nachhaltig genutzt werden. Natürlich gehört dazu auch die Entwicklung ressourcen- und energieschonender Herstellungs- und Verarbeitungsprozesse. Uns treibt aber auch die Vermeidung von Abfall und die bessere Nutzung von Nebenströmen. Die Natur kennt keinen Müll. Nachhaltiges Produzieren und Wirtschaften muss analog konzipiert sein. Wichtig für uns ist dabei auch das Thema Wertigkeit/Werte. Daher forschen wir an Technologien und Methoden zur Sicherung, Erfassung und Optimierung sensorischer, technofunktioneller und biologischchemischer Produktqualität entlang der gesamten Prozesskette – von den Rohstoffen bis hin zum fertigen Produkt.
sp: Wie verhält es sich mit der Umsetzung in die Praxis?
Büttner: Die direkte Umsetzung unserer Forschungsergebnisse in greifbare Ergebnisse und Produkte ist ein zentrales Element. Wir wollen, dass unsere Forschung für den Menschen auch beim Menschen ankommt und wir gemeinsam mit unseren Partnern einen möglichst großen Beitrag leisten, dass unsere Entwicklungen auch erfolgreich am Markt sind. Dies betrifft die gesamte Forschung in unseren Geschäftsfeldern Lebensmittel, Verpackung, Produktwirkung, Verarbeitungsmaschinen sowie Recycling und Umwelt – und zwar als Gesamtpaket.
sp: Welche Pläne und Projekte möchten Sie in absehbarer Zeit umsetzen?
Büttner: Im Lebensmittel- und Ver-packungsbereich, aber auch im Konsumgütersektor, besteht enormer Innovationsbedarf, gerade in einem globalisierten Markt mit verzahnten und vernetzten Rohstoff- und Produktströmen. Mit Blick auf eine integrierte Qualitätssicherung und -kontrolle sind daher neue Konzepte für vernetzte Analyse- und Kontrollsysteme gefordert. Ebenso die Entwicklung neuer Verpackungskonzepte, beispielsweise solche, die sowohl die einzusetzenden Materialien als auch deren Maschinengängigkeit und die erforderlichen maschinellen Anpassungen umfassen, oder auch die Einbindung intelligenter Sensorik und Diagnostik in verfahrenstechnische Prozesse.
sp: Können Sie Beispiele nennen?
Büttner: In unserem Institutsteil Verarbeitungstechnik in Dresden entwickeln wir für die Schokoladenverarbeitung einen Feststoffsuspensionsmolch zur Vermeidung von Mischphasen in geschlossenen Systemen, etwa in Rohrleitungen oder Wärmetauschern. Dieser passt sich konturadaptiv und flexibel an den Verlauf der Rohrgeometrie an. In einem weiteren Projekt geht es um Anwendungspotenziale von Sonderreinigungsverfahren in der Lebensmittelindustrie. Wir untersuchen Verfahren wie die Laserstrahl-, Plasma- und Trockendampfreinigung sowie Trockeneis-/CO2-Strahlen hinsichtlich ihres ökonomischen und ökologischen Potenzials in der Lebensmittelindustrie. Hinzu kommt die Entwicklung eines Bediener-Assistenzsystems mit Herstellern von Maschinen für die Süßwarenproduktion sowie Süßwarenproduzenten. Damit können Störungen nachhaltig beseitigt werden. Eine Analyse von Prozessdaten mithilfe von KI stellt Wissen und Handlungsanweisungen für das Bedienpersonal bereit. Mit der Entwicklung eines Assistenzsystems, das mittels Augmented Reality (AR) Bediener und Techniker beim Formatwechsel durch Handlungsanweisungen sowie bei der Wahl der optimalen Betriebsparameter unterstützt, kann insbesondere die Anlaufphase bei neuen Produkten verkürzt und Ausschuss reduziert werden.
sp: Wie wirken sich die aktuellen gesellschaftlichpolitischen und wirtschaftlichen Entwicklungen – Stichwort Corona-Pandemie – auf Ihre Arbeit und das Institut insgesamt aus?
Büttner: Damit die Arbeiten und Projekte unbeeinflusst weiterlaufen, haben wir den Labor- und Technikumsbetrieb anders organisiert und Maßnahmen ergriffen, die den aktuellen Hygieneanforderungen Rechnung tragen. Ein eigens eingerichteter Krisenstab erarbeitet die Maßnahmen im Hinblick auf die Entwicklung der Infektionsdaten und die Vorgaben der Politik. Die Maßnahmen reichen von orts- und zeitversetztem Arbeiten über Abstandsregeln bis hin zu Maskenpflicht in bestimmten Situationen. Dadurch können wir auch jetzt, unter diesen anspruchsvollen Bedingungen, optimal mit unseren Partnern zusammenarbeiten. Unsere Kompetenzen und Entwicklungen, etwa im Bereich der hygienegerechten Verarbeitung und Produktion, sind gefragter denn je. Mit unseren Technologien tragen wir entscheidend dazu bei, dass die Versorgungssicherheit gewährleistet wird. Die sichere, nachhaltige und hochwertige Versorgung mit Lebensmitteln darf kein Luxusgut sein – sie muss höchste Priorität haben.