Uwe Bindler, über Jahrzehnte anerkannter Experte im Bereich der Schokoladenformung und heute aktiv mit seinem Ingenieurbüro für Lebensmitteltechnik, hat ein neues Verfahren konzipiert, das auch Kleinbetriebe wirtschaftlich realisieren können.
Von Alfons Strohmaier
Über Jahrzehnte war Uwe Bindler als geschäftsführender Gesellschafter des Familienunternehmens Gebr. Bindler Maschinenfabrik GmbH & Co. KG einer der führenden Köpfe der internationalen Schokoladentechnologie. Die Brüder Heinrich und Hugo Bindler hatten 1908 in Freital in Dresden eine Fabrik eröffnet, die sich auf Lösungen und Systeme für das Formen und Eintafeln von Schokolade und Pralinen spezialisierte. Nach dem Neuanfang in Bergneustadt entwickelte sich Bindler seit den 1950er-Jahren zum führenden Anbieter auf diesem Gebiet weltweit, lange Zeit unter der Führung von Uwe Bindler. Zahlreiche Patentanmeldungen aus den 1990-er-Jahren – u.a. für den Rotationsguss um eine oder mehrere Achsen, einen neuartigen Dosiermechanismus für flüssige oder pastöse Materialien sowie eine optimierte Vorrichtung des bekannten Kaltstempelverfahren – bestätigen den Forschergeist und die Innovationskraft des erfahrenen Schokoladen-Experten. Nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen in 2000 übernahm die Schweizer Bühler AG im Jahr 2001 den Betrieb und integrierte ihn anschließend als Geschäftsbereich Bühler Bindler in den Konzern.
Seither ist Uwe Bindler als Berater in der Schokoladenbranche tätig und hat sich hierbei intensiv dem Thema der kompletten Schokoladenherstellung from bean to bar gewidmet. Das Ziel war, ein qualitätsorientiertes Verfahren für die Schokoladenmassenherstellung zu konzipieren, das auch Kleinbetriebe wirtschaftlich realisieren können. In seiner Konzeptstudie, deren Ergebnisse Bindler auch auf dem ZDS-Kongress Inter-Praline präsentiert hat, sieht der Experte ein Verfahren in den zwei Stufen mit 60 kg bzw. 180 kg pro Stunde vor.
Laut Bindler müssen die bislang auf dem Markt bekannten Lösungen, um das teure Walzen und Trockenconchieren zu umgehen, Kompromisse bei Geschmack und Verarbeitung hinnehmen. In erster Linie werden dabei Kugelmühlen eingesetzt, bei denen ein breites Größenspektrum von < 10 µm bis >25µm erreicht wird. Während durch die Feinen Teile mehr Wasser gebunden und die Masse zäher wird – teilweise mit schwankenden Stoffwerten, machen sich die größeren Teile durch Körnigkeit bemerkbar. Zur Geschmacksbildung und Veredelung werden dann in der flüssigen Phase Dünnschichtreaktoren eingesetzt.
Beim neuen Lösungsvorschlag von Bindler steht vor allem die primäre Zerkleinerung und Mischen in einer Verfahrensstufe mithilfe eines Kutters der Maschinenfabrik Seydelmann KG in Aalen im Mittelpunkt. Die vielseitige Technologie der Seydelmann Kutter bietet neben der Zerkleinerung, Homogenisierung und Mischung von Massen viele weitere Verarbeitungsmöglichkeiten, wofür der Traditionsbetrieb vor allem in der Metzgerei-Branche international anerkannt ist.
Bindler hat nun diese Technologie für die Herstellung von Schokoladenmassen adaptiert. Das Aalener Unternehmen liefert dazu die Seydelmann Süßwarenmaschine Typ K64 und K124 für 50 bis 150 kg Schokolade pro Stunde. In der Maschine erfolgt die Zerkleinerung der Kakaonibs mit weiteren Rohstoffen durch schnell rotierende Messer. Dabei werden die Nibs chargenweise eingefüllt und bis zum pastösen Zustand zerkleinert, Zucker und Milchpulver sowie Kakaobutter dosiert hinzugegeben. Die Misch- und Förderbewegung vollzieht sich in der Schüssel, die auch ein Temperiersystem zum Kühlen und Erwärmen vorhält und schließlich auch das Vakuumieren gewährleistet. Zudem ist das Verfahren mit Schutzgas (z.B. N2) möglich. Bindler verweist darauf, dass sich die Seydelmann Süßwarenmaschine auch zur Herstellung von Marzipan, Frucht- und Nussmassen, Mischpasten sowie zur Rework-Verarbeitung und Pasteurisierung eignet.
Die Testergebnisse zeigen, dass bei einer Masse mit 70 % Nibs und 30 % Zucker die Zerkleinerung auf 54µm in 10 Minuten und die Zerkleinerung auf 121µm in 6 Minuten mit Vakuum geschieht. Dabei erfordert der Betrieb ohne Kühlung Pausen, während das Verfahren mit Kühlung kontinuierlich arbeitet. Der Metallabrieb liegt bei < 1 µg/g Nibs; im Vergleich dazu ergibt sich bei der Kugelmühle ein Abrieb von 10 bis 30 µg/g Nibs.
Im Vorfeld geschieht die Verarbeitung der Kakaobohnen zu Nibs durch den Mini-Winnower bis 150 kg/Stunde und den Röster, beide von der Bear Mühlen & Behälter GmbH in Berlin. Im Einzelnen werden die Bohnen dabei gereinigt, vor dem Winnowing (Sichten und Brechen) thermisch vorbehandelt und anschließend chargenweise geröstet. Die Bear Kakaobutterpresse bis 3 % Entfettung, die ab 5 kg/h skalierbar ist, garantiert die Ursprungsidentität von Kakaomasse und zugesetzter Kakaobutter. Die Kakaobutter unterscheidet sich somit nicht in der Zusammensetzung nach Herkunft in Geschmack, Stoffwerten sowie in Kristallisation und Erstarrung.
Vor der Trocken-Conchierung steht das Walzen als wichtige Verfahrensstufe, das den Fettgehalt der Masse auf 29 % beschränkt. Bindler greift hier auf das Dreiwalzwerk EXAKT 120S Plus der Firma EXAKT Advanced Technologies GmbH für eine Ausbringung von 60 kg/h von 60 µm auf 20 µm zurück. Die Masse wird den Walzen direkt – ohne Silierung – in den Vorbehälter zugeführt. Nach dem Walzen wird die Conche direkt mit dem pulverförmigen Walzgut befüllt.
Neben der Fermentierung und Trocknung der Kakaobohnen auf den Plantagen sowie dem Rösten ist vor allem das Conchieren maßgeblich für die Geschmacksbildung der Schokolade. Für das Trockenconchieren werden bei dem Konzept von Uwe Bindler modifizierte Mischer aus der Lebensmittelverarbeitung eingesetzt, wobei Antriebe und Conchierwerkzeuge entsprechend angepasst sind. Zusätzlich zu Kühlung und Heizung kann ein kontrolliertes Vakuum zum schnelleren Entsäuern und Entfeuchten eingesetzt werden. Die Seydelmann Maschine Typ MR 1300 als Conche ist für 700 kg, der Typ MR 3500 für 2.400 kg Beladung vorgesehen. Der Typ MR 1000 ist zudem mit einer vertikalen Zuführung versehen.
Der Schokoladenexperte Bindler hat in aufwändigen Testversuchen auch die Vorteile des neuen Verfahrens bei der Formung untersucht. Laut Angaben ergibt sich dadurch eine Optimierung von Geschmack und Textur sowohl bei der Massivware, beim Überzug als auch bei der Schalenformung und der Rotation von Hohlfiguren. Hinzu kommen kontrollierbare Fließeigenschaften und ein besserer Schutz gegen Migration von Füllungsbestandteilen.
u.bindler@ubi-lt.de