Bei den diesjährigen Freisinger Tagen für pflanzliche Lebensmittelproteine, veranstaltet vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) und der Industrievereinigung für Lebensmitteltechnologie und Verpackung (IVLV), informierten die Referenten über viele neue Ansätze zur Verbesserung der Qualität und zeigten enorme Wachstumspotenziale auf.
Von Alfons Strohmaier
Seit mehr als einem Jahrzehnt wirbt Dr.-Ing. Peter Eisner, stellvertretender Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV), um die Anerkennung heimischer Leguminosen wie Lupinen oder Ackerbohnen als pflanzliche Grundlage für vegetarische und vegane Lebensmittel. Bereits auf dem Internationalen Süßwarenkongress 2012 von SWEETS GLOBAL NETWORK präsentierte der Verfahrenstechniker beeindruckende Forschungsergebnisse zu Lupinen und Sonnenblumenkernen und zeigte deutlich auf, dass das reine Protein aus Lupinen ein idealer Grundstoff für die Lebens-mittel- und Süßwarenherstellung ist.
Die genügsamen Pflanzen sind hierzulande als Zwischenfrucht wichtige Stickstoff-Lieferanten für die ausgelaugten Böden. Zudem sind alle Pflanzenteile verwertbar und ergeben etwa Lupinenöl, Proteinisolate und Ballaststoffe, die Schalen dienen der thermisch-energetischen Verwertung. Dennoch blieb die Resonanz aus der Industrie lange Zeit sehr verhalten.
Doch dies hat sich gewandelt: Pflanzliche Proteine als Fleischersatz stehen derzeit hoch im Kurs, wie etwa zuletzt die starke Nachfrage nach Beyond Meat bei Lidl zeigt. Waren bei den Vorveranstaltungen laut Eisner nur „eine Handvoll Überzeugungs-täter“ anwesend, war diesmal das Interesse an den Freisinger Tagen für pflanzliche Lebensmittelproteine immens. Die Teilnehmer kamen aus allen möglichen Branchen, darunter auffallend viele aus dem Backwarensektor.
Mittlerweile haben sich die Nachfrageprofile der Konsumenten und der öffentliche Diskurs grundlegend verändert. Verena Wiederkehr von der Organisation ProVeg Deutschland e.V. untermauerte mit zahlreichen Daten, dass das Geschäft mit pflanzenbasierten Alternativen zu Fleisch und Tierprodukten enorme Wachstumspotenziale birgt. Immer neue Protein-quellen bieten sich an, darunter Hanf, Kichererbsen, Wasserlinsen (Lemna minor), Algen, Foniohirse oder Okara.
Für die Tagung hatte ProVeg Deutschland eine Studie zu pflanzenbasierten Backwaren initiiert. Bei Backwaren zeigt sich dabei eine große Diskrepanz zwischen der Gruppe der reinen Veganer und den „Reducers”, den Konsumenten also, die ihren Konsum von Fleisch und Tierprodukten nur reduzieren wollen. Für diese Flexitarier böten die Backwarenhersteller kaum Anreize, erläuterte die ProVeg-Referentin. Deren Bedürfnisse würden vom Markt nicht erfüllt.
Obwohl Verbraucher, Industrie und Handel derzeit verstärkt nach neuen Proteinzutaten mit ausgeprägter Funktionalität und neutralem Geschmack suchten, zeigten viele Proteine aus heimischen Pflanzen noch erhebliche techno-funktionelle und sensorische Schwächen, sagte Eisner. Trotz des steigenden Interesses seien „langfristige Effekte im Konsumverhalten nur erreichbar, wenn der Genusswert den Erwartungen entspricht.“
Die Leguminosen aus der Region, die eine optimale Ökobilanz aufweisen würden, müssen sich allerdings gegen Soja & Co. behaupten. Weitere neue alternative Proteinquellen sind In-Vitro-Fleisch, Insekten sowie Mikro- und Makroalgen (Seetang). Eines der gewichtigen Argumente gegen den Einsatz von Lupinenmehl oder -öl in der Nahrungsmittelindus-trie ist zurzeit deren Allergenität. Die Hersteller wollen nicht noch einen allergenen Stoff auf die Verpackung schreiben und meiden das aufwendige Allergen-Management.
In dieser Hinsicht gibt es erfolgversprechende Ansätze. Dr. Michael Szardenings vom Fraunhofer Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI) in Leipzig informierte über das Epitop-Mapping. Für die allergische Reaktion sind nur wenige Oberflächenproteine, die sogenannten Epitope, verantwortlich. Sie treten ähnlich in vielen allergieauslösenden Pflanzen wie Birke, Soja, Sellerie, Erdnuss und Lupine auf und rufen entsprechend Kreuzreaktionen hervor.
Dr. Ute Weisz vom Fraunhofer IVV berichtete von einem aktuellen Projekt, das sich der Modifikation pflanzlicher Proteine zur Verbesserung der funktionellen und sensorischen Eigenschaften bei gleichzeitiger Verringerung des allergenen Potenzials widmet. Die Wissenschaftler kombinieren sowohl thermische Verfahren wie Sterilisation/Autoklavieren und Rösten/MW-Erhitzung als auch nicht-thermische wie enzymatische Hydrolyse, Fermentation, Bestrahlung, Plasmabehandlung, Zentrifugation, Fraktionierung oder bio-chemische Modifikation. Die Referentin zeigte an Beispielen, wie durch die enzymatische Hydrolyse mit anschließender Fermentation Proteinzutaten gewonnen wurden, die ein angenehmes sensorisches Profil ohne Bittergeschmack und ein niedrigeres allergenes Potenzial aufweisen. Jetzt ist das Team des IVV auf der Suche nach Firmen, die das Verfahren in Pilotprojekten industriell umsetzen möchten.
Das Projekt „QualiFabaBean” hat zum Ziel, die ernährungsphysiologische Qualität von Ackerbohnen und -konzentraten durch die Reduktion antinutritiver Inhaltsstoffe zu erhöhen. Im Rahmen der Eiweißpflanzen-strategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) wird ein Verfahren zur Herstellung sensorisch attraktiver Mehle und Proteinkonzentrate aus Ackerbohnen und deren Nutzung als funktionelle Lebensmittelzutat entwickelt, wie Maike Föste vom Fraunhofer IVV erläuterte. Beim Thema „Ei-Ersatz in Feinen Backwaren“ arbeiten die Forscher mit Kombinationen und untersuchen die Geleigenschaften von Protein/Protein- und Protein/Hydrokolloid-Kombinationen. Dabei erscheinen Kombinationen wie Ackerbohnen und Kartoffeln vielversprechend.
Die Veranstaltung brachte eine Flut an spannenden Vorträgen, darunter einen Überblick über Insekten als alternative Nahrungsquelle, die Eta-blierung der Proteingewinnung auf Basis von Pilzen und Produktentwicklungen mit Spirulina-Algen. Über zwei interessante Verfahrensprojekte im Rahmen der EU-Maßnahmen zu „Protein2Food“ (www.protein2food.eu) zur Förderung von hochqualitativem Food-Protein aus Saaten und Leguminosen informierten jeweils Jürgen Bez und Andreas Detzel sowie Anna Martin vom Fraunhofer IVV.