Mitte Juni kamen unter dem Motto „A Quality Vision for the Future“ beim 8. Runden Tisch Kakao in Hamburg weit über 100 Teilnehmer zusammen, um den wissenschaftlichen Austausch zu suchen. Die Tagung, die durch die Stiftung der Deutschen Kakao- und Schokoladenwirtschaft gefördert wurde, zeigte unter anderem auf, wie sich der Klimawandel auf den Kakaoanbau auswirken könnte.
Von Dr. Jörg Häseler
Den Auftakt des Runden Tischs Kakao 2019 bildete der Vortrag von Dr. Lyndel W. Meinhardt (Agricultural Research Service, USDA), der einen besonderen Fokus auf die Kakaobohnen-qualität legte. In diesem Zusammenhang sprach er über den aktuellen Kenntnisstand zur genetischen Diversität von Kakao. Dieses Wissen sei im Rohwareneinkauf nutzbar, denn es lasse sich sehr gut ermitteln, woher die Kakaobohnen stammen. Der Referent berichtete auch, dass 30 bis 40 % der Container mit der falschen Sorte bezeichnet werden. Er präsentierte Ergebnisse seiner Untersuchung zu den einzelnen Basen-paaren in einem komplementären DNA-Doppelstrang.
Diesen Punkt griff auch Andreas Dunkel aus dem Arbeitskreis von Prof. Dr. Thomas Hofmann (TU München, Professur für Lebensmittelchemie und molekulare Sensorik) auf. Er nutzte dabei als Grundlage für seine Betrachtungen jedoch die Inhaltsstoffprofile von Kakaobohnen aus Erzeugerländern weltweit, wobei ein besonderes Augenmerk den sensorisch aktiven Inhaltsstoffen galt. Beeindruckend war die Aussage, dass ein Schokoladen-Rekombinat erzeugt werden kann, das unter anderem Theobromin, Epicatechin, vier Aminosäurederivate, zehn Diketopiperazine sowie vier organische Säuren enthält. „Im Zuge der durchgeführten Metabolom-Forschung konnten wir über 2.500 Substanzen eindeutig identifizieren, wovon wir rund 1.700 in eine Spektrenbibliothek aufgenommen haben“, führte er aus.
Im Anschluss diskutierte Prof. Dr. Matthias S. Ullrich (Jacobs University Bremen, Dept. Life Sciences and Chemistry) seine Ergebnisse über die Protein- und Peptidanalytik. Er widmete sich dabei insbesondere dem Speicherprotein Vicilin – einem von über 800 Proteinen im Kakao. Während der Fermentation nimmt dessen Gehalt ab, und genau diesen Verlauf dokumentierte der Referent, wobei gerade die daraus gebildeten Peptide Aromavorstufen bilden. Die Aminosäuresequenz PVNSPGKY führt letztendlich zu einem nussigen Aroma, während aus NNPYY ein süßes und angenehmes Aroma entsteht.
Im Rahmen der Veranstaltung nahmen Strategien zur Minimierung der Cadmium-Kontamination breiten Raum ein. Es wurden neue Ansätze der Vermeidung dargestellt. Dies ist durchaus erforderlich, da gerade Kinder eine Verbrauchergruppe darstellen, die in die Nähe der festgelegten Grenzwerte gelangen. So erläuterte Dr. Mirjam Pulleman (CIAT) die entsprechenden Ansätze in Ecuador, Peru und Kolumbien, denn gerade die Andenstaaten sind vorrangig von den Grenzwerten betroffen. Sie nannte Zahlen von 50 % betroffener Chargen. Biotische und abiotische Faktoren spielen hierbei eine Rolle und sind bodenspezifisch, sodass es sinnvoll erscheint, zunächst den Boden zu untersuchen. Ebenso sollten bei der Betrachtung Genotypen und Jahreszeiten berücksichtigt werden, um den Cadmium-Gehalt zu minimieren.
Am Ende des ersten Tages hielt Tony Lass (Chairman of the Cocoa Research Association Ltd.) ein leidenschaftliches Plädoyer für die genetische Vielfalt und den Nutzen, den die beiden entsprechenden Sammlungen in Costa Rica und Trinidad bieten. Er startete einen Aufruf zur Unterstützung von Initiativen, die darauf abzielen, diese Vielfalt zu erhalten und bei Bedarf zu nutzen.
Den Reigen am zweiten Veranstaltungstag eröffnete PD Dr. Martin Steinhaus (Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie) mit seinen Ausführungen zu Kakao-Fehlaromen. Ihm und seinem Team ist es unter anderem gelungen, insbesondere die Verbindungen ausfindig zu machen, die für ein rauchiges und schinkenähnliches sowie für ein schimmeliges Aroma verantwortlich sind. Allerdings bleibt weiterhin ungelöst, bei welchen Prozessschritten diese Substanzen gebildet werden, und wie sie vermieden werden können.
Einen weiteren Schwerpunkt bildete das Thema Nacherntebehandlung. Dr. Susanne Miescher Schwenninger (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) zeigte auf, wie durch den Einsatz von Starterkulturen (Lactobacillus fermentum und Saccharomyces cerevisiae) Fehlfermentationen und Schimmelbefall reduziert werden können. Ein neuartiges Fermenta-tionsverfahren, das in Brasilien eingesetzt wird, ermöglicht ebenfalls eine verbesserte Prozesskontrolle. Norberto Hess stellte die online steuerbare Apparatur vor, mit der die Fermentation und Trocknung realisiert werden können. „Hierbei kommen Gerätschaften zum Einsatz, die auch im kleinen Maßstab mit einfachen Utensilien gebaut werden können“, benannte er die Vorteile.
Dr. Christian Andres (Forschungsinstitut für biologischen Landbau, Kakao/Agroforst und ETH Zürich) zeigte Möglichkeiten der Kakao-plantagen-Gestaltung auf. Er stellte zudem die negativen Effekte des Klimawandels auf Plantagen in Bolivien und Ghana dar, und wie die Auswirkungen abgefedert werden können.
Dr. Christian Bunn (International Center for Tropical Agriculture) berichtete, welche klimatischen Veränderungen in den kommenden Jahrzehnten in den Hauptanbaugebieten zu erwarten sind, und wie sich diese auf den Kakaoanbau auswirken könnten. Er stellte Pflanzsysteme und Managementkonzepte zur Reduktion negativer Folgen vor. Der Kakaoanbau sollte dem Klimawandel mit einer dreistufigen Strategie begegnen:
1. Bestimmung der Klimazone unter gegenwärtigen und zukünftigen Bedingungen
2. Bestimmung des Grads und des Umfangs des möglichen Wandels
3. Beobachtung bereits eingetretener Trends.
Weiterhin schlug er eine zielgruppengenaue Ansprache vor, um die Kakaobauern zu überzeugen, dass Handlungsbedarf besteht. Nach seinen Aussagen ist die Situation teilweise nicht unbedingt eindeutig. So sei beispielsweise nicht abschließend geklärt, welche Schädlinge aufgrund des Klimawandels verdrängt werden, oder ob deren Wachstum sogar gefördert wird.
Eine enorme Bereicherung des Veranstaltungsprogramms sind die Poster Flash Talks, da damit insbesondere die Arbeit des wissenschaft-lichen Nachwuchses gefördert wird. Auch die Internationalisierung der Tagung mit Gästen und Referenten etwa aus Brasilien, der Schweiz, Belgien und den Niederlanden wirkte sich sehr positiv auf die Qualität aus, sodass sich jeder den Juni 2021 für den 9. Runden Tisch Kakao freihalten sollte.
http://www.rundertischkakao.de