Die 28. Dresdner Verpackungstagung stand unter dem Motto „Verpackung in der Diskussion – Widersprüche als Antrieb für Innovationen”. Vor dem Hintergrund des neuen Verpackungsgesetzes wurden die Vorträge der hochkarätigen Referenten, darunter auch vom Naturschutzbund Deutschland und der Verbraucher-Initiative, heiß diskutiert.
Von Alfons Strohmaier
Es ist eine schöne Gewohnheit von Winfried Batzke, dem Geschäftsführer des Deutschen Verpackungsinstituts dvi, historische Fakten und Persönlichkeiten in Bezug auf den Tagungsort Dresden zu schildern. So erinnerte er an die Malerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz, die 1945 auf der Moritzburg bei Prinzessin Virginia und Prinz Ernst Heinrich von Sachsen Unterschlupf fand. „Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind“, zitierte der dvi-Chef und Moderator die Künstlerin und fügte hinzu, auch die Verpackungsbranche sei derzeit „eher ratlos und hilfsbedürftig”.
Die Verpackungswirtschaft ist vor allem verunsichert wegen zahlreicher ungeklärter Details im Verpackungsgesetz, das zum 1. Januar 2019 in Kraft tritt. So berichtete Uwe Streiber, Leiter Verpackungsmanagement bei Zalando, dass auch der Konzern zurzeit noch nicht wisse, wie die Packkartons und Beutel, die von den Verbrauchern zurückkommen, nach dem neuen Gesetz behandelt werden. Bei über 80 Millionen Paketen jährlich und einer Retouren-Quote von 50 % sei die Frage der Lizensierung für das Management wesentlich.
In seinem Vortrag mit dem Titel „Zwischen individuellem Kundenerlebnis, Produktivitätszielen und Nachhaltigkeit – Wie die Verpackung ihren Beitrag leistet", überraschte Streiber das Auditorium mit der Feststellung, die Automatisierung im Hub-and-Spoke-Netzwerk von Zalando sei gleich Null. Die Optimierung der Verpackung zielt auf interne Prozesse, wodurch die Aufbauzeit des Faltkartons durch den Mitarbieter um die Hälfte reduziert werden konnte. Auf die Frage eines Tagungsteilnehmers zu standardisierten, wiederverwertbaren Plastikboxen im Versandhandel antwortete der Experte, dass es in Schweden ein solches System gebe und dass man sich „dies anschaue”.
Die Transformation des finnisch-schwedischen Konzerns Stora Enso beschrieben Martin Hammer, New Business Development Manager, und Rüdiger Nölleke, Sales Director von Stora Enso Germany. Vor zwölf Jahren betrug der Anteil der Papierherstellung rund 70 %, und heute liegt er nur noch bei 30 %. Als einziges Unternehmen bietet Stora Enso eine sogenannte mikro-fibrillierte Zellulose (MFC) an, die aus Holzmasse gewonnen wird und aufgrund ihrer Feinheit als Basis für diverse Materialien in Autos, Flugzeugen, Windkraftanlagen, aber auch für Folien verwendet werden kann. „MFC wird künftig viele Barriereschichten ersetzen”, zeigte sich Hammer überzeugt. Stora Enso stehe nicht nur für Recycling sondern noch mehr für „erneuerbar”, sagte Nölleke. Angesprochen auf Gras, Hanf oder Stroh als Ausgangsmaterial für Zellstoff, verwiesen die Manager auf die Fabrikstrukturen mit Anlagen, die riesige Mengen verarbeiten und für Nischen nicht geeignet seien.
„Wir sind auf einer Reise.” Diese Feststellung der Verantwortlichen von Stora Enso gilt wohl für die gesamte Branche. Dies zeigte sich auch am zweiten Tag, an dem Referenten das neue Verpackungsgesetz aus unterschiedlichen Blickwinkeln kritisch unter die Lupe nahmen. Katharina Istel, Referentin Ressourcenpolitik beim NABU – Naturschutzbund Deutschland, erinnerte daran, dass der Kampf gegen den Klimawandel nicht die einzige Problematik sei. Man müsse sich alles in der Ökobilanz anschauen, denn es gehe auch um Biodiversität, den Erhalt von Lebensräumen und Artenvielfalt. So führten die nachwachsenden Rohstoffe weiter zu einer industriellen Landwirtschaft, wie etwa dem intensiven Maisanbau. Es gehe generell um Vermeidung und nicht nur um Recycling, werden doch Produkte aus deutscher Herstellung in alle Welt geliefert. Und mehr als drei Milliarden Menschen weltweit haben keinen Zugang zu einer funktionierenden Abfallentsorgung. Seit 1995 habe der Verpackungsabfall um 31 % zugenommen.
Defizite im Hinblick auf Begrifflichkeiten und rechtliche Grauzonen im neuen Verpackungsgesetz stellte Dr. Hans-Bernhard Rhein, Geschäftsführer der Umweltkanzlei Dr. Rhein – Beratungs- und Prüfgesellschaft, vor. Als Sachverständiger hat er an einem äußerst kritischen Gutachten zum VerpackG mitgewirkt, das seit März vom Umweltbundesamt unter Verschluss gehalten wird. So spricht der § 21 von „hoher Recyclingfähigkeit“, „Verwendung von Recyclaten“ „Hochwertigkeit” und nachwachsenden Rohstoffen. Je nach ökologischer Gestaltung würden sich dann unterschiedliche Beteiligungsentgelte ergeben. „Doch was heißt das eigentlich? Wer legt das fest?", lauteten die dringlichen Frage des Redners.
Dr. Kerstin Horn, Projektleiterin für den Bereich Oberflächentechnik bei der Innovent e. V., informierte über die zukunftsweisende Plasmaforschung und deren Möglichkeiten für Verpackungsmaterialien. Innovative Oberflächentechnologien wie atmosphärische Plasmen, Beflammung und Sol-Gel-Beschichtungen böten prozessfähige und kostengünstige Alternativen zur Reinigung, Desinfektion und Oberflächenmodifizierung ohne chemische Prozesse. Die Technik eigne sich demnach für die Veredelung, Reinheit und Funktionalisierung von Verpackungsmaterialien wie Track & Trace. Wie gewohnt, ergänzten viele praktische Beiträge, etwa über neue Methoden beim Verkleben (Baumer hhs), Versiegeln mit Ultraschall (Herrmann Ultraschalltechnik) und konsistentes Farbmanagement (Matthews Europe) die Tagung.
http://www.verpackungstagung.de