Bereits zum 54. Mal fand kürzlich die Sitzung der Arbeitsgruppe Schokoladentechnologie der Industrievereinigung für Lebensmitteltechnologie und Verpackung (IVLV) statt. Auch in diesem Jahr wurde ein breites Themenspektrum über den Rand des Schokoladentellers hinaus geboten. Neben der Fettreifbildung stand der Einsatz von Gewürzen und Nüssen im Vordergrund.
Mit ihren über 120 Teilnehmern ist die traditionelle IVLV-Tagung Schokoladentechnologie im 54. Jahr endgültig zu groß für die Räumlichkeiten im Fraunhofer
Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) in Freising geworden. Daher fand sie erstmals im Lindenkeller in Freising statt und hatte dort eine gelungene Premiere.
Neben dem Dauerbrenner Fettreif stand diesmal das Thema Aroma auf der Agenda. Hierbei wurden sowohl das reine Schokoladenaroma und dessen Freisetzung, aber auch interessante Geschmackseindrücke durch Zusätze thematisiert. Die Aroma-forschung erlebt derzeit einen Wandel. Über Jahrzehnte wurde nach Schlüsselaromen gesucht, jenen Stoffen, die unter den vielen flüchtigen Verbindungen für den charakteristischen Geschmack eines Lebens-
mittels verantwortlich sind. Heute steht zunehmend der „Flavour Release“ im Fokus, also die Frage, wie diese Aromastoffe beim Genuss des Lebensmittels freigesetzt und damit sensorisch verfügbar werden.
In einem lebendigen Vortrag führte Dr. Eva Ortner (Fraunhofer IVV) in die Welt der Aromafreisetzung und die komplexe Wahrnehmung von Lebensmitteln ein. Beim Kauen und Schlucken werden freigesetzte Aromastoffe durch einen Atemstoß retronasal wahrgenommen. Beispielsweise entsteht beim Lutschen von Gummibärchen nur ein schwacher Aroma-eindruck, beim Kauen dagegen ein intensiver, da nur hier die Aromen freigesetzt werden. Beim Konsum von
Espresso verbleiben Aromareste im Mund und bewirken einen angenehmen Nachgeschmack, der bis zu einer halben Stunde anhält.
Am Fraunhofer IVV laufen Forschungsarbeiten zur Aromafreisetzung, auch in vivo, das heißt mit dem direkten Nachweis der Aromastoffe in der Atemluft und der Identifizierung mit PTR-MS. Die Analyse der Aro-mafreisetzung von Schokolade wird nicht nur durch das ohnehin umfangreiche Schokoladenaroma, sondern auch die komplexe Matrix erschwert. Jedoch konnte Dr. Gottfried Ziegleder (früher Fraunhofer IVV) in seinem Vortrag demonstrieren, wie die Technologie den Flavour Release bei Schokoladen beeinflusst.
Im Zentrum der Produktion stehen das Walzen und das Conchieren. Erst bei intensivem Conchieren entsteht der harmonische Geschmack der Schokoladen durch einen Wandel von zunächst „Kakao plus Zucker“ in „Schokolade“. Dazu tragen mehrere Effekte bei: So wird etwa das Fließ-verhalten der Schokoladenmasse feiner und erlaubt ein intensiveres Mundgefühl. Die vielfältigen Aromastoffe, die zunächst in Kakaopartikeln eingeschlossen und in Kakaobutter gelöst waren, verteilen sich in der Masse neu und benetzen zunehmend die Zuckeroberflächen. Dadurch werden sie sensorisch besser verfügbar und sorgen für einen über Minuten anhaltenden Aromaeindruck. Auch kann geschmacklich nicht mehr nach Zucker und Kakao unterschieden werden, sondern ein gesamtheitlicher Geschmack entsteht.
Als technologische Herausforderung bleibt, den Energieeintrag in die Conche zu optimieren, um den Prozess wirtschaftlich zu gestalten. Hier hat das Fraunhofer IVV mit Industriefirmen wertvolle Erkenntnisse erarbeitet und in die Praxis umgesetzt. Die Kombination der beiden Vorträge Ortner und Ziegleder machte deutlich, wie sich am Institut Technologie und modernste Aromaforschung verbinden.
Neben dem Aroma der Schokolade selbst werden immer mehr Zusätze in Kleinstmengen, etwa Gewürze, Aromen und Farbstoffe, zur interessanten Geschmacksgebung eingesetzt. Diese bietet vielfältige Möglichkeiten, aber auch Risiken. So berichtete Dr. Ute Weisz (Fraunhofer IVV) im Eröffnungsvortrag über die konventionelle Herstellung von Gewürzen und alternativen Verfahren.
Die konventionelle Gewürzherstellung ähnelt der Verarbeitung von Kakao im Ursprungsland: Nach der Ernte wird die Rohware meist sonnengetrocknet, seltener solargetrocknet, und anschließend versandt, vermahlen, entkeimt und für die weitere Verarbeitung abgepackt. Besonders die langsame Sonnentrocknung mit partieller Rehydratisierung über Nacht kann das Wachstum von Schimmel und die Vermehrung pathogener Keime fördern.
Ebenfalls wird immer wieder über Salmonellen in Gewürzen berichtet. Besonders betroffen sind Lebensmittel, die nicht erneut erhitzt werden. Zu diesen zählt auch Schokolade. Abhilfe können hier alternative Prozessführungen schaffen, bei denen die Gewürze zunächst blanchiert und zerkleinert werden, bevor die Trocknung stattfindet. Zudem können verschiedene Entkeimungsverfahren, über die Dr. Peter Muranyi (Fraunhofer IVV) berichtete, gezielt eingesetzt werden. Er wies speziell auf die erhöhte Stabilität gestresster Zellen oder falsch negative Keimzahlbestimmungen durch antimikrobielle Inhaltsstoffe wie Phenole und ätherische Öle hin.
Bei Entkeimungsverfahren wie etwa der Bestrahlung mittels Xenon-Blitzlampe ist auch die spezielle Oberfläche von Gewürzen zu beachten, die häufig porös oder sehr rau ist und dadurch die Wirksamkeit deutlich reduziert. Neben Gewürzen sind auch andere Schokoladenzusätze betroffen, vor allem Nüsse. Als Besonderheit ist hier der Pasteurisationszwang von Mandeln in den USA zu nennen, über den Anett Winkler (Cargill) berichtete. Die vorsorgliche Überprüfung ist jedoch auch für andere Lebensmittel relevant und erfolgt häufig über einen validierten Prozess.
Der Zusatz von Gewürzen in Schokolade ist nicht nur eine mikrobiologische Herausforderung, sondern in Anbetracht der geringen Mengen auch verfahrenstechnisch aufwendig. Hierzu berichtete Isabell Rothkopf (Fraunhofer IVV) über das kommende Projekt zum homogenen Einmischen geringer Mengen an Rezepturbestandteilen in Schokolade und die damit verbundenen Schwierigkeiten.
Bisher werden Zusätze wie Gewürze, Aromen und Farbstoffe meist zu Beginn des Prozess zugegeben, um eine möglichst homogene Verteilung zu erhalten. Bei einem Produktwechsel ist der Reinigungsaufwand jedoch enorm und beispielsweise im Fall von Allergenen nicht ausreichend. Die Zugabe sollte daher so spät wie möglich erfolgen. Die zu bewältigenden Herausforderungen liegen dabei in dem begrenzten Bauraum, dem thermischen Energieeintrag, der sich auf die Temperierung auswirkt, sowie den veränderten Fließeigenschaften. In diesem Projekt treffen interdisziplinäre Fragestellungen aufeinander, die weitere spannende Berichte für die kommenden Jahre versprechen.