Bei Algen im Bereich Lebensmittel geht es weniger um glibbrige Pflanzen vom Strand als um jene Varianten, die in der Regel als Einzeller leben. Wie diese als Zutat eine Bereicherung darstellen können, erläutern Prof. Sascha Rohn vom Institut für Lebensmittelchemie der Universität Hamburg sowie Dr. Michael Sandmann vom Institut für Lebensmittel- und Umweltforschung (ILU) in Nuthetal bei Potsdam.
sweets processing: Für welche Einsatzbereiche eignen sich Algen?
Prof. Rohn: Um den Verbraucher nicht zu überfordern, werden meist bereits akzeptierte Produkte mit den Algenprodukten/-präparaten angereichert. Innovationen, die fast nur aus Algenbiomasse bestehen, finden sich recht selten, da letztlich der Geschmack den Ausschlag gibt. Dr. Sandmann: Der Gehalt an Algenbiomasse in den Lebensmitteln liegt daher meist im unteren Prozentbereich. Zu den möglichen Produkten gehören Snacks, Desserts oder Joghurt, aber zunehmend auch Teig- und Backwaren.
sp: Wie macht sich die Alge in dem Produkt bemerkbar?
Sandmann: Es treten verschiedene charakteristische Aromen auf, aber auch teilweise ein Umamigeschmack oder ein salziger Geschmackseindruck. Diese werden bisweilen als Fehlaroma/-geschmack wahrgenommen. Bis zu einer Konzentration von sechs Prozent Algenbiomasse wird die Backfähigkeit nicht negativ beeinflusst. Die entwickelten Kekse mit Mürbeteig zeigten eine charakteristische blau-grüne Färbung bei Verwendung von Spirulina-Algen und eine gelb-grüne Färbung bei Verwendung von Scenedesmus-Algen.
Rohn: Zu den Aromakomponenten gehören flüchtige Verbindungen, die aus der Oxidation ungesättigter Fettsäuren sowie – durch die veränderte Fettoxidation – aus den übrigen Zutaten oder den Algenpräparaten selbst stammen. Der buttrige Geruch traditioneller Kekse wurde durch die Zugabe der Algen zum Teil überdeckt.
sp: Welche Vorteile bieten die Algen?
Rohn: Durch Algen können technofunktionelle und nutritive Eigenschaften sowie der sensorische Eindruck von Lebensmitteln verändert werden. Der heuartige Geruch und Geschmack von Scenedesmus-Algen erzielt einen würzigen, frischen Eindruck in Gebäcken. Dieser könnte künftig in herzhaften Produkten gezielt eingesetzt werden.
Sandmann: Algen sind recht leicht zu kultivieren und stellen eine nachhaltig erzeugbare Biomasse dar. Zudem bestechen sie durch ihre biochemische Wandlungsfähigkeit. Durch die Variation der Kultivierungsbedingungen kann man so gezielt Einfluss auf die Biomassezusammensetzung nehmen und den maßgeschneiderten Einsatz in verschiedenen Produkten realisieren.
sp: Welche Kosten entstehen für den Nutzer?
Rohn: Die Kosten der Algen liegen derzeit zwischen drei und 150 Euro pro Kilogramm. Der Preis variiert je nach Herkunft und Qualität der Biomasse stark, die meist immer noch aus fernen Ländern importiert wird.
Algen für Lebensmittel
Algenbiomasse wirkt positiv auf die menschliche Gesundheit. Wichtige Inhaltsstoffe sind Lipide mit ungesättigten Fettsäuren, Proteine und komplexe Kohlenhydrate, aber auch natürliche Pigmente wie Carotinoide, die als Antioxidantien wirken können. Der große Vorteil ist die recht einfache Gewinnung der Algenkonzentrate. Benötigt werden nur ein Fotobioreaktor, Wasser, Mineralstoffe, Kohlendioxid und Sonnenlicht. Eingesetzt werden ausschließlich Mikroalgen, die in Bioreaktorsystemen „an Land“ kultiviert werden. Spirulina und Chlorella sind die wichtigsten Algenarten, denn bisher haben nur wenige Mikroalgen eine Zulassung für den Einsatz in Lebensmitteln erhalten. Scenedesmus-Algen sind vielversprechende Kandidaten.