Die 4. Weltkakaokonferenz in Berlin beschäftigte sich intensiv mit den Problemen der Kakaoerzeuger wie Preisverfall, Armut, Kinderarbeit sowie Umweltzerstörung und erarbeitete zahlreiche Lösungsvorschläge. In der abschließenden „Berliner Erklärung“ wurde eine neue Zukunftsvision für den Kakaosektor vorgestellt
Von Dr. Bernhard Reichenbach
Business-as-usual im Kakaosektor ist keine Option mehr. Wir müssen neue Wege beschreiten“, sagte Dr. Jean-Marc Anga, Exekutiv-Direktor der Internationalen Kakao-Organisation (ICCO) anlässlich der 4. Weltkakaokonferenz, die kürzlich mit mehr als 1.500 Teilnehmern in Berlin stattfand. Der Kongress, der regelmäßig von der ICCO und – diesmal – der deutschen Regierung ausgerichtet wurde, ist die führende Veranstaltung für den globalen Kakaosektor und vereint die wichtigsten Interessenvertreter der gesamten Wertschöpfungskette. Unter dem Titel „Eine neue Vision für den Kakaosektor“ zeigte die Veranstaltung dessen massive Probleme auf und versuchte Lösungen zu finden.
Kakao ist eines der wichtigsten Agrarhandelsgüter weltweit und Einkommensgrundlage für 40 bis 50 Millionen Menschen. Viele der Kakaoanbaugemeinschaften, insbesondere in Westafrika, sehen sich mit Armut, Kinderarbeit, fortschreitender Entwaldung und Umweltzerstörung konfrontiert, was durch einen rapiden Preisverfall bei Kakao noch verschlimmert wurde. So gingen die kakaobezogenen Einkünfte von Kleinbauern an der Elfenbeinküste – dem weltweit größten Kakaoproduzenten – innerhalb eines Jahres um 36 % zurück. Dies spiegelt der Weltmarktpreis für Kakao wider, der zwischen September 2016 und Juni 2017 stark auf unter 2.000 USD/t fiel, wobei vor allem die Landwirte das Risiko des volatilen Preises tragen.
Zu dem Preisverfall trugen verschiedene Faktoren bei: Konzentra-tionsprozesse bei Händlern, Verarbeitern und im Einzelhandel, aber auch Spekulation, sowie die Überproduk-tion von Kakao. Letzteres geschieht zu Lasten der Umwelt, insbesondere der Regenwälder, denn sind die Böden ausgelaugt, werden die Anbaugebiete verlagert und dabei intakter Regenwald zerstört. Dessen Vernichtung wirkt sich negativ auf des Klima aus: So nehmen etwa die Niederschläge ab, und die kaum umkehrbare Wüstenbildung schreitet voran. Eine der Hauptursachen für die Problemkette wurde im Rahmen der Veranstaltung jedoch kaum angesprochen: das ungehemmte Bevölkerungswachstum, das zur Erschließung immer neuer Anbauflächen auf Kosten der Umwelt führt, während die Erntemengen aus Preisgründen eigentlich gedrosselt werden müssten.
Als Fazit der Weltkakaokonferenz wurde in der „Berliner Erklärung“ die neue Vision des Kakaosektors vorgestellt. Darin formulierten die Delegierten eine deutliche Botschaft: Einen nachhaltigen Kakaosektor gebe es nur, wenn die Erzeuger von ihrem Einkommen angemessen und existenz-sichernd leben können. Dies liege in der Verantwortung aller Beteiligten vom Erzeuger über den Handel und die Verarbeitung bis zum Konsumenten und der Politik und sollte von diesen als gemeinsame Aufgabe angegangen werden.
Im Rahmen der Konferenz wurde unter anderem aufgezeigt, dass neue Produkte erhebliche Potenziale zur Verbesserung der kritischen Lage bieten. Gregory Aharonian, Gründer und Präsident der Firma KukaXoco, präsentierte Schokoladenprodukte ohne Fett, Zucker oder Süßstoffe. Während bei herkömmlichen Schokoladen der durchschnittliche Gehalt an Zucker bei 50 % liegt – manche erreichen sogar einen toxischen Gehalt von 75 % – reduziert KukaXoco diesen süchtig-machenden, Diabetes und Fettleibigkeit fördernden Bestandteil komplett. Der Clou: Wissenschaftler des Unternehmens bewiesen, dass sichere und gesunde Koka-Blatt-Extrakte (FDA- und DEA-konform) die für ungesüßten Kakao typische Bitterkeit eliminieren können. „Dies ermöglicht der Schokoladenindustrie, Zucker vollständig aus ihren Produkten zu entfernen – ohne dabei deren Geschmack und Aroma zu beeinträchtigen – und Schokolade somit zu einem wirklich gesunden Nahrungsmittel zu machen“, betonte Gregory Aharonian.
KukaXoco produzierte Ende 2016 seine erste zucker- und süßstofffreie dunkle Schokolade, die zu 97 % aus Kakaomasse und zu 3 % aus Koka-Extrakt besteht. Verpackte Schokoladenprodukte sind in Volumenstückzahlen erhältlich, und das Verfahren ist bereit für die Lizenzvergabe. Kommenden Herbst will das Unternehmen einen zuckerfreien Schokoladenaufstrich auf den Markt bringen, der nur 5 % Fett enthält – und dies zu einem kaum höheren Preis als für herkömmliche Produkte, die zu rund 90 % aus Fett und Zucker bestehen.
Neue Potenziale soll auch die verstärkte Erzeugung von Edel-Kakao erschließen, dessen Marktanteil derzeit noch niedrig ist. Martin Christy, Direktor des International Institute of Chocolate and Cacao Tasting, plädierte dafür, die Nachfrage zu stärken und – ähnlich wie bei Kaffee oder Wein, wo Spitzenprodukte teuer bezahlt werden – ein Premium-Segment zu schaffen, um durch gesteigerte Qualität (etwa in Hinblick auf Schadstoffe wie Cadmium oder Pestizide) höhere Preise zu erzielen. „Da darf eine 50-Gramm-Tafel dann auch zehn Euro kosten“, postulierte Christy.
Dem „Geheimnis“, wie sich die beste Schokolade produzieren lässt, waren mehrere Referenten auf der Spur. Für Andreas Bertram, Geschäftsführer der ZDS – Zentralfachschule der Deutschen Süßwarenwirtschaft, ist ein originäres Aroma ohne Zusatzstoffe essentiell. Basis des Aromas sei, dass alle Komponenten – von der Genetik des Kakaos über die Fermentation bis zum Verarbeitungsprozess – „perfekt“ sind. Zu den wichtigsten Faktoren gehören dabei die Dauer der Fermentation sowie die Conchierzeit.
Nach Meinung von Warren Hsu vom taiwanesischen Schokoladenproduzenten Fu Wan Chocolate hängt die Qualität einer Schokolade zu 80 % von den Zutaten, insbesondere den Kakaobohnen, ab. Er setzt vor allem auf biologischen Kakaoanbau, Fermentation in kleinen Losgrößen mittels Behältern mit 4 bis 6 kg Inhalt sowie spezielle Röstmethoden.
Samantha Aquim vom brasilianischen Schokoladenhersteller Aquim setzt auf besonders hochwertige Kakaobohnen. Die Röstung erfolgt langsam und bei niedriger Temperatur, um die Aromen der Frucht hervorzuheben und nicht Mängel zu überdecken, wie auf dem Markt üblich. Hinzu kommt der Verzicht auf Milch sowie sanftes Conchieren, um die ursprünglichen Aromen nicht negativ zu beeinflussen.
Zum Credo des bereits 1830 gegründeten venezolanischen Schokoladenherstellers Casa Franceschi gehört die Produktion von Schokoladen aus unterschiedlichen Kakaosorten. Laut Geschäftsführer José Vicente Franceschi beeinflussen rund 400 Faktoren das Aroma des Kakaos – angefangen mit der Auswahl der Sorte und der Anbauregion sowie dem gesamten Umgang mit der Pflanze. Für ihn gilt: „Kein gesundes Produkt aus ungesunder Umwelt.“
http://www.worldcocoaconference.org