sweets processing 7-8/2018

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Wege zu positiver Zukunft des Kakaoanbaus

„Nachhaltigkeit“ – speziell die nachhaltige Produktion von Kakao und Schokolade – war das Kernthema der internationalen Konferenz Chocovision, die kürzlich in Davos/Schweiz stattfand. Die vom führenden Kakao- und Schokoladenproduzenten Barry Callebaut ausgerichtete Veranstaltung beleuchtete die gravierenden Probleme des Kakaosektors in den Erzeugerländern wie Armut und Umweltzerstörung und zeigte Lösungen auf.

Von Dr. Bernhard Reichenbach


Die Fakten: Weltweit gibt es rund 5,5 Millionen Kakao­bauern, und der arbeitsinten­sive Anbau sichert den Lebensunterhalt von rund 15 Millionen Menschen, vor allem in Westafrika. Auf diese Region entfallen etwa 70 % der globalen Rohkakaoproduktion, die 2016/17 rund 4,7 Mio. t betrug (2015/16 circa 4 Mio. t). Knapp die Hälfte der Produktion wird mittlerweile in den Ursprungsländern selbst zu Halberzeugnissen weiterverarbeitet. Allerdings kämpft der Kakaosektor mit erheblichen Problemen. 90 % des weltweiten Kakaoanbaus findet – insbesondere in Westafrika – auf vergleichsweise kleinen Parzellen von teilweise unter 1 ha Fläche statt. Diese kleinflächige Struktur ist oft unwirtschaftlich.

Anders in Lateinamerika: Hier wird Kakao häufig auf großen Plantagen angebaut, was in der Regel zwar wirtschaftlicher ist, aber zur Bildung von Monokulturen und zum Verlust des natürlichen Umfeldes führt. In Afrika sind die Probleme jedoch deutlich gravierender: Die Einkünfte der kleinbäuerlichen Familienbetriebe sind kaum existenzsichernd. Erhebliche Produktions- und Preisschwankungen, verbunden mit Spekulation und Korruption, gehen zu Lasten der Kakaobauern – Ausbeutung, Kinderarbeit, Armut, Landflucht und Migra-tion sind die Folge.

Ungebremstes Bevölkerungswachstum führt zur Erschließung immer neuer Anbauflächen auf Kosten des Regenwaldes, der stark schrumpft. Die Entwaldung wiederum fördert den Klimawandel und die Wüstenbildung, da die Niederschläge abnehmen.

Mit all diesen Problemen und deren Lösung beschäftigte sich die dreitägige Konferenz Chocovision, die kürzlich in Davos/Schweiz stattfand. Seit 2012 versammelt die Veranstaltung alle zwei Jahre Führungspersönlichkeiten und Hauptakteure der ­Kakao-, Schokoladen- und Süßwarenindustrie, um strategische Themen von gemeinsamem Interesse zu diskutieren.

Mehr als 200 Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft, darunter die ehemalige norwegische Premierministerin und „Nachhaltigkeits-Prophetin“ Dr. Gro Harlem Brundtland sowie die Klimawandel-Expertin Christiana Figueres, waren diesmal zu dem Branchenforum gekommen. Die Teilnehmer erörterten, was in Kooperation getan werden kann, um eine nachhaltige Zukunft für alle Interessenvertreter entlang einer transparenten Wertschöpfungskette Kakao/Schokolade sicherzustellen – vom Anbauer über den Produzenten und den Händler bis zum Verbraucher. Eine Zukunft ohne Armut und Umweltzerstörung, ohne Kinderarbeit und Geschlechterungleichheit.

Vor dem Hintergrund, dass auf die Anbauer nur etwa 3 % des mit Schokolade erzielten Umsatzes entfallen – was die Existenz oft kaum sichern kann – kamen Vertreter aller Gruppen zu Wort. Auch jugendliche Konferenzteilnehmer wurden – als Führungspersönlichkeiten von morgen – in eigenen Podiumsdiskussionen in die Meinungsbildung einbezogen. In drei Gesprächsrunden wurde untersucht, wie moderne Technik – sei es Genetik, künstliche Intelligenz oder E-Commerce – die Innovation im Schoko­ladensektor vorantreibt, wie eine ­materiell sichere und gleichzeitig nachhaltige „Schokoladenzukunft“ speziell für den Anbausektor sichergestellt werden kann und welche Rolle die Wirtschaft spielt.

Als positives Beispiel wurde die Entwicklung des Kakaosektors in Ecuador vorgestellt. Zwischen 2012/13 und 2016/17 steigerte das Land seine Produktion um 40 % und wurde so zum viertgrößten Produzenten weltweit – mit der Aussicht, in zehn Jahren der zweitgrößte zu sein. Der durchschnittliche Hektarertrag stieg von unter 500 kg auf über 2000 kg, während er etwa in Afrika derzeit kaum 500 kg übersteigt. Grundlagen dieser „Revolution“ sind die Einführung des Dollars als Verrechnungseinheit, größere Anbau-Parzellen von rund 5 ha Fläche, verbunden mit verbesserter Technik und Mechanisierung. Das Tageseinkommen der gut ausgebildeten Bauern und Landarbeiter stieg von zuvor 6 auf heute 27 USD.

Bei der Produktion von Kakao und Schokolade soll eine nachhaltige, umweltschonende, abfall- und energiesparende Wertschöpfungskette sichergestellt werden, die zudem Wohlstand für alle Beteiligten bietet. Dabei komme es insbesondere auf Transparenz „from bean to bar“ an, um Lebensmittelsicherheit und -integrität zu gewährleisten, so die Auffassung von Ian Roberts. Der Chief Technology Officer der Bühler Group unterstrich in seinem Vortrag: „Eine umfassende Transparenz erfordert ein bislang nicht gekanntes Level an Kooperation aller Beteiligten, neue Geschäftspraktiken sowie die entsprechende neue Technik.“ Eine Technik wie zum Beispiel die genetische Rückverfolgbarkeit der Produkte bis zu deren Ursprung sowie eine sichere Datenübertragung etwa via Blockchain.

Aldo Uva, COO von Ferrero, hält es für unbedingt erforderlich, den „Kakaobauern ins Zentrum der Aktivitäten“ zu stellen, um den Teufelskreis der Armut in den Erzeugerländern zu durchbrechen. Ein existenzsicherndes Einkommen soll bewirken, dass junge Leute nicht – wie bisher – durch Zufall Kakaobauern werden, sondern weil sie es wollen. Die Bauern sollen etwa mithilfe von Beratern und Ausbildern dabei unterstützt werden, veraltete landwirtschaftliche Praktiken aufzu­geben und neue Arbeitsweisen zu übernehmen. Durch Umstellung auf professionelles Management und Mechanisierung konnten beispielsweise Haselnusserzeuger in der Türkei ihren Hektarertrag binnen zwei Jahren von 650 kg auf 1100 kg steigern. „Diese Erfahrung lässt sich ohne Weiteres auf den Kakaosektor übertragen“, betonte Aldo Uva.

Investitionen in die Verbesserung der Situation in den Erzeugerländern seien längerfristige Angelegenheiten, die nicht auf kurzfristige Effekte hin abzielten. Dies verdeutlichte Patrick de Boussac, CEO des französischen Ingredients-Lieferanten Touton, anhand der Fabel von der Schildkröte und dem Hasen, in der die langsame Schildkröte den schnellen, aber leichtsinnigen Hasen im Wettlauf besiegt. Investiert werden müsse beispiels-weise in diversifizierten Anbau, um nicht von einem einzelnen Produkt – wie etwa Kakao – und dessen Preisentwicklung abhängig zu sein. Voraussetzung sei jedoch, sich zunächst eingehend über die Gegebenheiten vor Ort zu informieren, um Fehler zu vermeiden.

 

http://www.chocovision.ch


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