Schokoladen mit sortenreinen Kakaos und hohem Kakaogehalt haben sich im Markt etabliert. Die hohe Erwartung an diese Premiumprodukte erfordert entsprechendes Know-how in der Produktion und offenbart weiteren Forschungsbedarf. Das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV und die Industrievereinigung für Lebensmitteltechnologie und Verpackung e. V. (IVLV) bringen diesen technologisch anspruchsvollen Prozess voran.
Von Isabell Rothkopf, Fraunhofer IVV, und Dr. Gottfrie
Schokoladen mit spezifischen Kakaosorten definieren sich ähnlich wie gute Weine über die Anbauregion. Häufig punkten diese Schokoladen auch mit besonders hohem Kakaogehalt. Bei Bitterschokoladen liegt er von 70 bis über 90 %. Kakaos aus Ghana, Elfenbeinküste, Nigeria oder Indonesien stehen für eine kräftige Kakaonote; Edelkakaos aus Ecuador, Costa Rica, Nicaragua, Trinidad, Venezuela, Santo Domingo, Madagaskar, Grenada, Java, Sri Lanka oder Papua-Neuguinea bringen zusätzliche Geschmacksnuancen wie etwa fruchtig, blumig, nussig, rosinenartig, erdig oder holzig ein. In gerösteten Konsumkakaos gibt es etwa 600 Aromastoffe, und in Edelkakaos weitere zusätzliche Aromen aus der Gruppe der Terpene, die für die spezifischen Noten sorgen. Naturgemäß sind diese Merkmale umso stärker ausgeprägt, je höher der Kakaoanteil in den Schokoladen ist.
Neben der Auswahl des Kakaos kommt dem Conchieren eine herausragende Bedeutung zu. Zudem lassen sich Massen mit mehr als 70 % Kakaoanteil nicht wie „normale“ Schokoladen auf Fünfwalzwerken feinzerkleinern, so dass alternative Verfahren eingesetzt werden müssen. Auf diesem Gebiet arbeiten Fraunhofer IVV und IVLV mit Tests im Technikum, vorwettbewerblichen Produktionsversuchen sowie Bewertung der Produkte anhand von Aromaanalytik, gekoppelt an die human-sensorische Bewertung.
Bei der Herstellung üblicher Bitterschokolade wird die Mischung aus Kakaomasse und Zucker auf Fünfwalzwerken zu einem feinen Walzgut vermahlen. Alle Partikel müssen unter 20 µm zerkleinert werden, um ein sandiges Mundgefühl zu vermeiden. Das kontrollierte Mahlen auf Walzwerken liefert eine ideale Korngrößenverteilung. Die Partikel agglomerieren allerdings durch den Walzendruck. In den Agglomeraten ist Kakaobutter eingeschlossen, wodurch das Walzgut eine trockene Konsistenz aufweist. Dieses noch ausdruckslos süß schmeckende Walzgut wird in eine Conche mit einigen Tonnen Füllmenge eingebracht und dort über viele Stunden mechanisch und thermisch bearbeitet.
Nach dem Aufbrechen der Agglomerate und der Freisetzung der gebundenen Kakaobutter entsteht beim Conchieren eine zähe, pastöse Masse, die nur mit hohen Scherkräften bewegt werden kann. Erst jetzt entwickelt sich das gewünschte homogene und intensive Schokoladenaroma. Gegen Ende des Conchierens wird flüssige Kakaobutter zugegeben, um eine fein fließend Masse zu erhalten.
Durch die Scherleistung in der Conche entwickelt sich das harmonische, intensive Schokoladenaroma. Heute ist bekannt, dass in diesem Stadium Kakaoaroma an den Zuckeroberflächen adsorbiert wird, so dass letztlich alle Partikel aromatisiert werden und die Süße des Zuckers in den Hintergrund tritt. Die Aromadiffusion beim Conchieren wurde am Fraunhofer IVV erstmals analytisch nachgewiesen. Dabei war die Schwierigkeit, nicht nur die Aromastoffe im Spurenbereich zu messen, sondern auch ihre lokale Verteilung in der Masse zu verfolgen. Mit zunehmender Conchierzeit und Energieeintrag verfeinert sich der Schokoladengeschmack – er wird intensiver und anhaltender. Offenbar werden beim Conchieren auch zunehmend Aromastoffe aus dem Inneren der Kakaopartikel an die Oberfläche gepresst und über die Oberflächen verteilt. Die jeweilige Dauer des Conchierens bleibt das Geheimnis der Firmen, aber Premiumschokoladen werden stets viele Stunden unter hohem Energieeintrag in der Conche bewegt.
Da Kakaomasse etwa 54 % Kakaobutter enthält, bewirkt ein hoher Kakaoanteil in der Schokolade nicht nur eine Zuckerreduktion, sondern auch eine Steigerung des Fettgehalts. Dies bringt rheologische Schwierigkeiten auf dem Walzwerk mit sich.
„Normale“ Bitterschokolade enthält beispielsweise 35 % Kakaomasse, 52 % Zucker, 12,5 % Kakaobutter und 0,5 % Lecithin: In diesem Fall enthielte die Walzmischung aus Kakaomasse und Zucker 21,7 % Fett. Schokolade mit 70 % Kakaoanteil setzt sich aus 60 % Kakaomasse, 29,5 % Zucker, 10 % Kakaobutter sowie 0,5 % Lecithin zusammen, und die Walzmischung enthielte hier 36,2 % Fett. Mischungen mit mehr als 32 % Fett sind jedoch zu flüssig für das Fünfwalzwerk und müssen auf anderen Wegen verarbeitet werden.
Es gibt drei verfahrenstechnische Möglichkeiten: Meist wird der Zucker mit nur der Hälfte der Kakaomasse vermischt, um den Fettgehalt zunächst niedrig zu halten. Im vorliegenden Beispiel hätte das Walzgut 27,2 % Fett und wird dann auf dem Walzwerk feingemahlen und anschließend conchiert. Diese erste Hälfte der Kakaomasse genügt, um den in der Mischung enthaltenen Zucker zu aromatisieren. Die zweite Hälfte der Kakaomasse wird in einer Kugelmühle auf die gewünschte Endfeinheit vermahlen. Nach mehrstündigem Conchieren der ersten Hälfte der Masse unter hohem Energieeintrag wird die zweite Hälfte Kakaomasse sowie die Kakaobutter in die Conche dosiert, um die Masse fertigzustellen. Dieses Verfahren verbindet zwei Vorteile: die Entwicklung des feinen Schokoladenaromas in der Conche und die Betonung der charakteristischen Kakaonote durch die später dosierte, nur kurz behandelte Kakaomasse.
Eine zweite Möglichkeit ist, nicht alkalisiertes, stark entöltes Kakaopulver einzusetzen. Hier könnte für 70 % Kakaogehalt eine Mischung aus 44 % Kakaomasse, 11 % Kakaopulver, 2 % Kakaobutter und 30 % Zucker (27 % Fett) gewalzt, conchiert und mit den restlichen 12,5 % Kakaobutter sowie 0,5 % Lecithin fertiggestellt werden.
Die dritte Variante ist, die gesamte Masse in einer Kugelmühle zu vermahlen. Sie liefert jedoch eine veränderte Partikelgrößenverteilung mit Auswirkungen auf das Conchieren und das Fließen. Bei allen Verfahren kommt es darauf an, die Bedingungen so abzustimmen, dass sich Aroma und Schmelz der Schokoladen optimal entfalten können.
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